Süddeutsche Zeitung

Albert Söhl:BRK-Geschäftsführer im Sinne der Menschen

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Seit 23 Jahren leitet Albert Söhl die Freisinger Kreisgeschäftsstelle des Roten Kreuzes. Er ist verantwortlich für 304 Mitarbeiter. Wie alle sozialen Organisationen plagen auch das Rote Kreuz Nachwuchssorgen und Billigkonkurrenz.

Interview von Florian Beck, Freising

Seit 23 Jahren leitet Albert Söhl die Kreisgeschäftsstelle des Bayerischen Roten Kreuzes in Freising, beim Roten Kreuz aktiv ist er bereits seit seinem zehnten Lebensjahr. Kaum einer weiß besser, wie es um den Rettungsdienst steht. Somit ist Söhl der ideale Partner für ein Gespräch über die Bedeutung des Ehrenamts, über Katastrophenschutz, das Oktoberfest und die Freizeitgestaltung von Jugendlichen.

SZ: Was sind die Aufgaben eines Kreisgeschäftsführers beim Roten Kreuz?

Albert Söhl: In der Geschäftsstelle hier sind wir zuständig für die Arbeit des Roten Kreuzes im Landkreis Freising, sprich alles was mit hauptberuflichen Tätigkeiten zu tun hat, also Rettungsdienst, Fahrdienst, Essen auf Rädern, Hausnotruf, Pflege und unsere Kindertagesstätten. Ich bin als Dienststellenleiter zuständig für alle unsere 304 hauptberuflichen Mitarbeiter. Nur ich kann kündigen, ich muss quasi alles bestimmen - natürlich nur zum Wohle des Bayerischen Roten Kreuzes. Ich vergleiche das gerne mit der Position eines Firmeninhabers. Außerdem bin ich mehr oder weniger der Verwaltungschef für Liegenschaften, Buchhaltung und Personalwesen. Wir haben für die einzelnen Bereiche zwar auch Verantwortliche, aber über denen stehe halt noch ich. Außerdem muss ich mit den Strategien des Kreisvorstandes, der bei uns ehrenamtlich ist, arbeiten und diese Dinge ausführen.

Sie sprachen gerade von 304 hauptamtlichen Angestellten - wo arbeiten die?

Der Großteil, insgesamt über 180, sind bei unseren Kindertagesstätten angestellt. So um die 70 sind Rettungsdienstmitarbeiter. Sie alle sind das, was vom Roten Kreuz wahrgenommen wird. Das und die Pflegeautos, die sieht man auch oft, den Fahrdienst auch manchmal. All diese Tätigkeiten werden von hauptberuflichen Mitarbeitern ausgeführt.

Es sind ja auch viele Ehrenamtliche beim Roten Kreuz dabei, wie steht es um die?

Das Rote Kreuz ist von Haus aus eine ehrenamtliche Organisation, die aus fünf Gliederungen besteht: Wasserwacht, Bereitschaften, die ehrenamtlich auch im Rettungsdienst sind, Jugendrotkreuz, Wohlfahrt und Soziales und die Bergwacht - die haben wir in Freising allerdings nicht. Wohlfahrt und Soziales ist dabei der neuste Bereich, der von Ehrenamtlichen organisiert wird, die sich vielleicht nicht so stark ans Rote Kreuz binden wollen, aber trotzdem eine Aufgabe übernehmen möchten. Als Beispiel gibt es da die Moosburger Tafel, die gehört zu uns, deren Mitarbeiter fallen unter Wohlfahrt und Soziales. Auch die Kleiderkammer wäre ein Beispiel. Und wir machen Katastrophenschutz. Dafür sind die Bereitschaften ideal geeignet, weil sie durch ihre ehrenamtliche Hilfe beim Rettungsdienst schon ausgebildet wurden. Wenn ich nur aus Büchern lerne, wie man einen Verletzten versorgt, dann bringt mir das nichts. Deshalb sind Ehrenamtliche gerade auch im Rettungsdienst so wichtig.

Weil sie gerade den Katastrophenschutz ansprechen - was sind die Aufgaben des Roten Kreuzes im Falle des Falles?

Wenn wirklich etwas Großes passiert, sind wir Hilfsorganisationen immer alle zusammen vor Ort. Auch die Johanniter und Malteser, einfach alle, die in der Region tätig sind, im Notfall kommen sie sogar von weiter weg. Das Rote Kreuz kümmert sich bei Katastrophen vorrangig um die Versorgung von Verletzten. Außerdem betreuen wir Evakuierte, die aus ihren Häusern in Turnhallen oder Schulen gebracht werden. Wir kümmern uns da auch um die Verpflegung der Leute, wir bauen Betten auf.

Immer mehr Hilfsorganisationen mit billigen Preisen drängen auf den Markt. Was halten Sie davon?

Ich möchte nicht sagen, dass diese Firmen schlechter sind als wir. Aber dadurch, dass sie keine ehrenamtlichen Strukturen haben, besteht die Gefahr, dass im Fall einer Katastrophe einfach zu wenig Leute zur Verfügung stehen. Wenn ich nur Hauptberufliche einsetze, kann ich auch nur bestimmte Dinge abdecken. Bei einem Busunglück wird es schon eng. Wenn es da 30 oder 40 Verletzte gibt, frage ich mich, wie das von diesen Firmen auf die Beine gestellt werden soll. Da fehlt einfach der Rückhalt, den eine ehrenamtliche Basis bieten kann. Ich mag das alles jetzt nicht schlechtreden, was mir nur Angst macht, sind ausländische Dienstleister wie zum Beispiel die Firma Falck aus Dänemark. Die organisieren in Dänemark alles, die Feuerwehr, die Straßenreinigung, den Rettungsdienst, die Bestattung, einfach alles. Das ist nur noch ein reines Geschäft, bei dem es ausschließlich um Kommerz geht. Die kaufen sich auch hier vielerorts fast schon ein, weil sie halt die Preise drücken können. Wir als soziales Unternehmen versuchen, unsere Leute anständig zu bezahlen, wir halten uns ans Tarifrecht. Da können wir im Wettbewerb einfach nicht mehr mithalten. Das finde ich nicht in Ordnung. Es mag zwar den Krankenkassen, die sich dadurch Geld sparen, passen, aber mit sozialer Absicherung hat das nichts mehr zu tun. Es darf nicht nur um Preise gehen, es muss schon auch die Qualität stimmen.

Das Oktoberfest wird die nächsten Jahre erstmals seit 133 Jahren nicht mehr vom Roten Kreuz versorgt, sondern auch von einem dieser Dienstleister. Wäre so etwas auch in Freising möglich?

Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Hier gibt es auch keine solchen prestigeträchtigen Veranstaltungen wie das Oktoberfest. Da besteht dann von Seiten dieser Firmen kein Interesse.

Bei der Aktion "Blaue Wunder 112" vor gut zwei Wochen haben sich Rotes Kreuz, THW und die Freiwillige Feuerwehr aus Freising zusammengetan, um Nachwuchs zu generieren. Gibt es da Probleme?

Ja, wir alle haben Nachwuchsprobleme. Wir bräuchten mehr 16- und 17-Jährige, etwas ältere Jugendliche, die Mitglied werden und helfen, unsere Dienste abzudecken, später vielleicht im Rettungsdienst mitfahren. Das Problem haben wir alle: THW, Feuerwehr oder eben Rotes Kreuz.

Was meinen Sie, woran das liegt?

Ich denke, das liegt am Konsumverhalten der Jugendlichen. Sie wollen sich nicht binden, entscheiden erst kurz vor knapp, was sie machen wollen, verabreden sich spontan. Früher gab es feste Termine, so dass man wusste, wann man wo eingespannt ist, das wird heute nicht mehr so gemacht. Was vielleicht auch reinspielt, sind die Auswirkungen der Ganztagsschulen. An den Gymnasien etwa gibt es Nachmittagsunterricht, da fehlt den Schülern schlicht die Zeit, sich an einen Verein zu binden.

Was tun Sie, wenn Sie gerade mal nicht arbeiten?

Ich bin gerne in den Bergen, zum Wandern oder auch zum Skifahren. Das ist nur momentan etwas schwierig, weil ich eine Knieverletzung hatte. Aber an sich bin ich schon eher ein Wintermensch.

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