Süddeutsche Zeitung

Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Freising:Jugendhilfe am Anschlag

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Psychische Probleme haben in der Pandemie gerade bei jungen Menschen zugenommen. Die Hilfs-Einrichtungen aber leiden unter Personalnot.

Von Charline Schreiber, Freising

Nach zwei Jahren Pandemie sind auch die Kapazitäten der Kinder- und Jugendhilfe erschöpft. Das wurde bei der jüngsten Online-Vollversammlung der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Freising (PSAG) deutlich. Aus sämtlichen Arbeitskreisen zeigten die Berichte außerdem, wie Corona den Bedarf an Angeboten verändert hat. Vom Unterarbeitskreis Kinder und Jugend wurde ein Protokoll der Zusammenkunft im Oktober vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Arbeitsbereiche der Katholischen Jugendfürsorge der Erzdiözese München und Freising gut ausgelastet sind. Denn gerade bei Kindern und Jugendlichen nehmen die Auffälligkeiten zu.

Das Amt für Jugend und Familie stellte eine neue Kampagne vor, bei der zehn Kindertagesstätten ein Jahr lang begleitet werden. Thema ist Medienkonsum im jungen Alter. In Birkeneck in der Gemeinde Hallbergmoos sei außerdem eine E-Schule ab der ersten und vierten Klasse in Begleitung einer Ganztagsschule gestartet. Auch hier sei stationär ein starker Fachkräftemangel spürbar. "Die Jugendhilfe ist am Anschlag: Mehr geht nicht", heißt es im Protokoll.

Ausstellung zum Thema Schwangerhaft und Sucht geplant

Bärbel Würdinger, zuständig im Unterarbeitskreis Sucht, fasste unterdessen die Schwerpunkte der Suchtprävention zusammen. Hier stellte sich bei einem Fachtag zum Thema illegale Substanzen heraus, dass partiell verunreinigtes Cannabis auf dem Markt auftauche, was vermehrt zu Komplikationen führe, auch bei jungen Erwachsenen. Ein weiterer Teil der Arbeit sei die Aktionswoche Alkohol gewesen, die auch weiter so genutzt werde, dass sie anonym Artikel und Biografien von Betroffenen veröffentliche.

Im Frühjahr nächsten Jahres werde eine weitere Aktionswoche stattfinden, dazu sei eine Ausstellung zum Thema Schwangerhaft und Sucht geplant, so Würdinger. Die Sprecherin des Unterarbeitskreises Sucht betont, das Konsumknotenpunkte in Freising polizeilich verdrängt werden müssten. Außerdem solle die Polizei das Präventionsprojekt FreD stärker vermitteln.

Krisenbedingte Anfragen bei den Beratungen aus allen Altersgruppen

Aus dem Unterarbeitskreis Erwachsenenpsychiatrie berichtete Petra Rabus von einer Zunahme psychischer Probleme bei Erwachsenen. In den Beratungen fallen die Auswirkungen der Pandemie vermehrt auf, die Frequenz krisenbedingter Anfragen aus unterschiedlichen Altersgruppen sei hoch. Eine positive Entwicklung aber sei, dass immer mehr Klienten Sozialwohnungsvorschläge erhalten, der Sozialwohnungsbau komme demnach voran, freute sich Rabus.

Thomas Winter (Lebenshilfe) hob hervor, dass das Angebot "ambulant betreute Einzelwohnungen" für Menschen mit seelischer Behinderung bei gleichzeitiger Intelligenzminderung eine Lücke schließe. Bei der Betreuung dieser spezifischen Kombination stoße das Personal an Grenzen, deshalb sei es wichtig gewesen, mit geschultem Fachpersonal ein eigenes Angebot zu schaffen. Sechs Plätze für Menschen ab 21 Jahren, ohne Anspruch in der Jugendhilfe, stehen aktuell zur Verfügung.

Mangel an Therapeuten zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung

Vom Therapienetz Essstörung stellte Carolin Martinovic die Beratungsstrukturen und Angebote des Netzwerks vor. Die Versorgung müsse nah am Wohnort sicher gestellt werden, erklärt Martinovic. Mit 0,5 Stellen soll zukünftig auch eine unabhängige Beratungsstelle in Freising eingeführt werden. Die Genehmigung dafür wird noch für November erwartet.

Die behandelnden Psychologen William Mayrthaler und Tim Tonhauser hoben in ihrem Bericht zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung in Freising den Mangel an Therapeuten hervor. Die Zahl der Plätze ist begrenzt und liegt weit unter der Zahl der Anfragen, so Mayrthaler. In den vergangenen Jahren sei es aber zu einer lösungsorientierten Konzeptentwicklung gekommen, ergänzte Vorsitzender Christian Jotter. Auch das Thema Medien ist sowohl für Jüngere als auch für alte Menschen von Bedeutung.

Fehlende Teilhabe wegen begrenzter Zugänge zu digitalen Endgeräten

Begrenzte Zugänge zu digitalen Endgeräten hätten eine mangelnde Teilhabe zur Folge gehabt, führte Vivian Rasemann, zweite Vorsitzende der PSAG, aus. Im kommenden Jahr konzentriert sich die PSAG deswegen auf die jeweiligen Einrichtungen, deren Möglichkeiten und ihren Bedarf an medialer Unterstützung. "Eine wichtige Aufgabe ist es, die Bedarfe zu klären und gegebenenfalls zu schauen, wo wir in einem Miteinander weiterkommen", erklärte Rasemann.

Bei der anschließenden Online-Wahl des neuen Vorstands wurden Jotter als Vorsitzender und Rasemann als zweite Vorsitzende einstimmig wiedergewählt.

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SZ vom 23.11.2021
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