Süddeutsche Zeitung

Lage der SPD in Freising:"Schwierig, aber nicht hoffnungslos"

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Die Freisinger SPD feiert trotz des desaströsen Abschneidens bei der Landtagswahl, denn sie wird 125 Jahre alt. Unterkriegen lassen sich die Sozialdemokraten nicht - sie wollen an ihrem Profil arbeiten.

Von Nadja Tausche, Freising

In dem Jahr, in dem die Freisinger SPD gegründet wurde, hat ein Kaiser das Deutsche Reich regiert, Frauen durften nicht an Wahlen teilnehmen und in Berlin wurde das Reichstagsgebäude eröffnet. Das war im Jahr 1894. Am 10. Februar 2019, auf den Tag genau 125 Jahre später, feiert der SPD-Stadtverband sein Jubiläum. Dazu ist an diesem Sonntag eine kleine Feier geplant, eine größere folgt dann im Juni: ein Gala-Abend im Lindenkeller, "mit allem, was dazu gehört", erzählt Markus Grill, Vorsitzender des Stadtverbandes. Zum Jubiläum haben die Mitglieder des Stadtverbands eine Chronik angefertigt, 60 bis 80 Seiten zur Geschichte der Partei von der Gründung bis heute. Wann die SPD in Freising gegründet wurde, weiß Grill wegen eines Dokuments, das ihm im Stadtarchiv in die Hände gefallen ist.

Wo steht die Freisinger SPD 125 Jahre nach ihrer Gründung? Hallt das schlechte Ergebnis der Landtagswahl noch nach und was wünscht man sich für die Zukunft? Vier Politiker geben Antwort.

Gegenwart

Die klassischen Werte der Sozialdemokratie, sagt der SPD-Kreisvorsitzende Andreas Mehltretter, seien für ihn: Gerechtigkeit, Solidarität, die Freiheit des Einzelnen. Und dass man auf die Schwächsten schaut. "Es war immer schon der Antrieb der SPD, die Welt besser zu machen."

In Umfragen sieht es für die SPD derzeit allerdings nicht besonders gut aus. Grill bezeichnet die aktuelle Situation als "schwierig, aber nicht hoffnungslos". Er findet: Das Volksbegehren, das derzeit gegen das Insektensterben läuft, zeige das Dilemma der Partei. Die SPD müsse solche Themen als erste und als einzige Partei ins Spiel bringen. "Man muss, unabhängig ob in der Regierung oder in der Koalition, selbst Themen setzen." Die schlechten Umfragewerte stimmten ihn aber nicht verdrießlich, so Grill.

Vergangenheit

Zu den Tiefpunkten der jüngsten Vergangenheit dürfte für die SPD die Landtagswahl im vergangenen Oktober gehören. Im Stimmkreis Freising hat die Partei sechs Prozent geholt, bayernweit waren es knapp zehn Prozent. Mehltretter nennt das Ergebnis "desaströs". Auch Helmut Weinzierl spricht von einer "Katastrophe", er sitzt seit 1972 für die SPD im Freisinger Stadtrat. Damals war dort einiges anders. Die SPD habe zusammen mit CSU, FDP und der Bayernpartei zu den "Großen im Stadtrat" gehört, erzählt Weinzierl: Heute sei das Gremium viel weiter aufgesplittert. In Freising sei es damals viel um das Thema Schulen gegangen, auch über die Wohnsituation habe man schon geredet.

Jemand, der sich schon vor Jahren von der Freisinger SPD verabschiedet hat, ist Eva Bönig. Die Freisinger Bürgermeisterin ist 2012 zu den Grünen gewechselt, das habe an "internen Dissonanzen" gelegen, sagt sie. Trotzdem sei sie nach wie vor Anhängerin roter Politik. "Mein Herz schlägt rot-grün", sagt Bönig. Das - im Vergleich zu anderen Wahlen - schlechte Ergebnis bei der Landtagswahl findet sie schade: "Wir bräuchten eine starke Sozialdemokratie." Mit ein Grund, warum man die SPD "immer weniger gewählt" hat, ist ihrer Meinung nach, dass sich die Partei in Freising damals so spät zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen positioniert hat.

Zukunft

Wie geht es weiter mit der SPD in Stadt und Land? Mehltretter ist für die Zukunft vor allem eines wichtig: "Dass jeder weiß, wofür die SPD steht." Die Partei müsse klare Ideen haben und sich von anderen abgrenzen. Außerdem wünscht er sich, dass die SPD klarmache, dass sie für Fortschritt in der Gesellschaft stehe. Die Digitalisierung bietet seiner Meinung nach riesige Chancen. Eine klare Linie vermisst auch Eva Bönig bei der Partei. In Freising hänge man dabei allerdings immer "am Tropf der Landes- und Bundesebene". Weinzierl sagt: Wenn Parteien aktiv sind, sich nicht unterkriegen lassen und junge Leute sich darin engagieren, "dann gibt es in der Politik immer neue Entwicklungen." Von den Freisinger Politikern wünscht er sich insgesamt Präsenz: Sie sollten auf den Wochenmarkt gehen oder in die Geschäfte der Stadt, sagt er. SPDler und alle anderen Politiker müssen unter die Leute gehen und ihnen klarmachen, dass sie einen mit Problemen nicht belästigen, so sieht es Weinzierl.

Markus Grill hat sich für die nächste Zeit viel vorgenommen. Er will sich im Wahlkampf reinhängen, für die Europawahl 2019, für die Kommunalwahl 2020. Grill sagt: "Nur dann sieht man, dass wir noch da sind - auch nach 125 Jahren."

Die SPD trifft sich am Sonntag, 10. Februar, um 15.30 Uhr im Viva-Vita an der Gartenstraße 57. Der Gala-Abend findet am 28. Juni statt.

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SZ vom 09.02.2019
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