Süddeutsche Zeitung

Kundgebung auf dem Marienplatz:"Wir sind keine Untertanen"

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Die Corona-kritische Partei "Die Basis" hat ihren Direktkandidaten Eckhard Reineke vorgestellt. Er wirft der Politik Impfzwang vor und fordert mehr Mitsprache. AfD-Abgeordneter Huber wirbt vor Ort für sich

Von Thilo Schröder, Freising

Der Kreisverband Freising-Pfaffenhofen der Corona-kritischen Kleinpartei "Die Basis" hat am vergangenen Donnerstag eine Kundgebung am Freisinger Marienplatz abgehalten. Dabei stellte sich Direktkandidat Eckhard Reineke den nach Polizeiangaben 90 bis 100 Menschen im Publikum vor. Ein Schwerpunkt seiner Rede war die Kritik an der Corona-Impfung. Manche der Versammelten nutzten anschließend die Möglichkeit, selbst ans Mikrofon zu treten, darunter auch der Freisinger Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat Johannes Huber (AfD).

Die Veranstaltung wirkte zunächst unscheinbar. Ein paar Plakate mit emotionalen Slogans wie "Kinder wieder lachen sehen", keine große Bühne, ein Sänger mit Akustikgitarre für die Unterhaltung. In der Unteren Hauptstraße ein Infostand, halb im Hauseingang verborgen. Das Publikum familiär, alternativ angehaucht. "Die typischen Verdächtigen", raunte ein Besucher kurz vor Beginn, "die Subversiven". Dann trat Reineke ans Mikrofon.

"Das Motto heißt: Zusammenhalten statt spalten." Seit dem heutigen Tag gebe es keine Maskenpflicht mehr bei Veranstaltungen, endlich habe die Politik begriffen. Applaus im Publikum. Reineke wuchs in der DDR auf und floh 1989 in den Westen, wie er sagte, und arbeitet seitdem als Urologe in Schrobenhausen, was ebenfalls zum Kreisverband gehört. Der 67-Jährige gab an, "immer politisch interessiert" gewesen zu sein. Die Corona-Politik habe ihn aber nachdenklich gemacht.

Reineke bemühte sich, die Entwicklung seiner Standpunkte zu verdeutlichen. Ja, anfangs sei auch er zu Corona-Demos in Kassel, Berlin oder Weimar gegangen. Er habe festgestellt, dass die Macht der Politik gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern überhandnehme, dass Medien über bestimmte Dinge nicht berichteten und habe beschlossen, selbst aktiv zu werden. "Die Basis" bezeichnete Reineke als "einzige Partei", die sich "die Machtbegrenzung der Politik auf die Fahnen geschrieben" habe.

"Wir sind freie Bürger und keine Untertanen", sagte er, "ich möchte mehr Mitspracherechte der Bürger." Er betonte: "Jeder kann Maske tragen, jeder kann sich impfen lassen. Es gibt Corona." Die Statistik zeige jedoch keine Übersterblichkeit für 2020, keine Überbelegung von Intensivbetten. Kinder hätten zudem "kein Risiko, ernsthaft zu erkranken", müssten sich aber impfen lassen, um wieder in die Schule gehen zu dürfen - "das finde ich eine Sauerei". Die "Panikmache" der Regierung sei "Unsinn", ein Lockdown "Blödsinn". Es könne nicht sein, dass Politiker suggerierten: "Ihr kriegt die Grundrechte wieder, wenn ihr euch impfen lasst."

Reineke redete sich zuweilen in Rage, deutete im Nebensatz an, dass das Grundgesetz keine richtige Verfassung sei, um dann darauf zu verweisen, grundsätzlich "nicht gegen die Impfung" zu sein. Wenn sie sich denn langfristig bewährt habe. Gegen Covid-19 habe er sich aber bislang nicht geimpft. "Das Risiko, an Corona zu erkranken, ist für den Normalsterblichen relativ gering." Während Reineke an mancher Stelle differenzierte, fielen bei Sprechern aus dem Publikum radikalere Töne.

Manfred Kanzler, 51, sagte etwa, er sehe Demokratie gefährdende "Veränderungsprozesse" in der Politik. Öffentlich-rechtliche Medien und große Verlage seien "zu staatsnah", es gebe eine "Meinungsdiktatur". Die Große Koalition unterwandere die Gewaltenteilung. Tobias, ein "bekennender Christ", wie er sich nannte, verglich die Pandemielage mit der DDR-Diktatur, in der er wie Reineke einst lebte. "Heute stehe ich wieder hier und stelle fest: Es ist wieder so." Er dürfe etwa als Ungeimpfter nicht in seinen Volleyballverein. Auch er sieht sich bevormundet. "Ich bin alleine Jesus verpflichtet." Der Mann fürchtet mit Blick auf etwaige neue Corona-Regeln, dass er bald gar nicht mehr vor die Tür darf. "Aus 3G wird 2G, aus 2G wird 1G. Geht ihr dann für uns einkaufen, wenn wir nicht mehr rausdürfen?"

Als einer der letzten ergriff Johannes Huber (AfD) das Mikrofon. Er habe im Bundestag "immer gegen die Verlängerung der epidemischen Lage gestimmt". Denn diese festzulegen, sei "reine Willkür". Die Politik könne auch die Pest-Epidemie ausrufen, wenn sie wollte. "Wir sollen entmündigt werden." Reineke hatte in seiner Ansprache die Chancen auf Einzug in den Bundestag eher gering eingestuft. Huber setzte daran an und warb indirekt für sich. Wer mit Söder unzufrieden sei, solle auch nicht Aiwanger wählen, sagte er, ungeachtet dessen impfkritischer Aussagen. Denn die Freien Wähler trügen die Politik mit. "Es gibt andere Alternativen."

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SZ vom 04.09.2021
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