Süddeutsche Zeitung

Gärten im Frühjahr:Ganz ohne chemischen Pflanzenschutz

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In ihrem Kleingarten gibt die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Tipps, wie der Gemüseanbau gelingt und die Biodiversität gefördert wird - Grundsätze, die auch die Kleingärtner in Tuching beachten.

Von Maya Rychlik, Freising

"Das Schöne an den Gärten hier ist, dass sie so vielfältig sind", sagt eine Schrebergärtnerin in der Anlage des Kleingartenvereins Tuching im Nordosten Freisings. Sie ist eine von denen, die sich hier eine kleine Oase erschaffen haben: einen Bauerngarten mit Gemüse wie dem rot leuchtenden Mangold, Kräutern und Blumen. Ein anderer Garten ist offenbar völlig sich selbst überlassen, das Gras wuchert, Insekten bevölkern die vielen Blühpflanzen, ein Insektenhotel an der Hüttenwand dient ihnen als Unterschlupf, Bäume spenden Schatten. Aus der Ferne sind Bahngleise und B 11 zu hören.

"Die Pächter können ihre Parzellen - bis auf ein paar kleine Ausnahmen - ganz so gestalten, wie sie möchten", erklärt Andreas Höppner, Vorsitzender des Kleingartenvereins. Sogar die zum Landstück gehörende Hütte dürfen die Bewohner so gestalten, wie sie wollen, nur darf diese maximal zwölf Quadratmeter messen. Auch die Hecken dürfen eine gewisse Höhe nicht überragen, worauf aber nicht penibel geachtet wird. Vieles ist zudem im Bundeskleingartengesetz geregelt: Mindestens ein Drittel der Fläche müssen Pächter zum Obst- oder Gemüseanbau nutzen.

Viel Regen und kalte Temperaturen haben heuer in ganz Bayern den Start der Gartensaison nach hinten verschoben, für viele beginnt sie erst jetzt. "Erste Kulturen im Garten waren bei uns unter anderem Asia-Salate, die wachsen bereits ab fünf Grad Celsius", sagt Katrin Kell bei ihrer Frühjahrsführung durch den Kleingarten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Salate wie Spinat könne man dicht pflanzen, über dem Herz abschneiden und so zwei bis drei Mal hintereinander als lose Blätter ernten. Auch der im Herbst gesteckte Knoblauch ist wenig aufwändig.

"Die Funktion des Kleingartens der HSWT ist es, Gemüsebau-Wissen zu vermitteln, auch auf kleinstem Raum, da im Stadtbereich die meisten keinen eigenen Garten mehr besitzen", so Kell weiter. Auch andere Formen des reinen Anbaus in Beeten können sich für Kreative lohnen. So eignen sich mehrstöckige Pflanztürme und andere vertikale Systeme auch für essbare Pflanzen. "Vorsicht hier aber vor Staunässe - sie kann gefährlicher sein als zu wenig Wasser", warnt Kell. Eine gute Kultur für vertikale Systeme sind neben kompakteren Fruchtgemüsearten auch Erdbeeren.

Im Kleingarten der HSWT werden keine chemischen Pflanzenschutzmittel verwendet, in der Anlage in Tuching ist es per Kleingartengesetz ganz verboten. Dafür gehören laut Kell nicht nur Bienen, sondern Nutzinsekten wie Marienkäfer, Gallmücken, Schweb-, Flor- und Schlupfwespen in jeden gesunden Garten, sie sind essenziell für ein Gärtnern ohne chemische Pflanzenschutzmittel. "Verfallen Sie nicht gleich in Panik, wenn Sie eine Blattlaus sehen", weiß Katrin Kell. Meist stellen sich Nützlinge wie Marienkäfer ein und in der Regel finde sich die Balance schon wieder. "Wir alle sind Bestandteil eines Netzwerks, in dem nicht nur wir überleben wollen, sondern auch die anderen Lebewesen."

Düngen darf in der Kleingartenanlage in Tuching jeder, wie er mag. Viele nutzen dafür Wolle oder den eigenen Rasenschnitt. "Für den Hausgarten braucht es meist keinen Volldünger", sagt Kell. Aufschluss gebe hier eine Bodenanalyse. "Kompost ist ein guter Dünger für die Phosphor- und Kaliumversorgung, enthält aber nur begrenzt pflanzenverfügbaren Stickstoff. Beim Kauf sollten Sie vor allem das Kleingedruckte auf der Verpackung lesen, das Auskunft über Nährstoffgehalt und Zusammensetzung gibt", rät Kell.

Bis Anfang der 70er Jahre stand auf dem Kleingartengelände in Tuching noch eine Mülldeponie, diese ist laut Höppner mit Lehm versiegelt worden und darauf sind die Kleingärten entstanden. Weitere Parzellen werden auf den einzelnen freien Wiesenstücken vage geplant, wann genau sie entstehen sollen, weiß Höppner aber noch nicht. In den drei Pandemie-Jahren ist die Anfrage für die Gärten sprunghaft gestiegen. Derzeit sind es nicht mehr so viele, trotzdem gibt es noch keine Bewerbungsgespräche für die Pacht.

Neben dem Bauerngarten hat ein Ehepaar Ideenreichtum auf seinem Landstück bewiesen. Aus Ästen haben die beiden ein Hochbeet in Schiffsform errichtet, das Wildbienen auch als Versteck nutzen können. Mehrere Obstbäume und viele verschiedene Blühpflanzen zieren den Garten, den Rasen mähen die Pächter abschnittweise, damit er blühen kann, etliche Schmetterling-freundliche Brennnesseln gibt es auch, Wein rankt über dem Eingang. "Naturgarten" und "vogelfreundlicher Garten" heißt es auf den Schildern darin, der Landesverband Bayerischer Kleingärtner und die staatliche Gartenbauverwaltung Bayern zertifizieren solche Kleinode.

Voraussetzung ist die "naturnahe Gestaltung" des Gartens, also Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und chemischen Dünger, außerdem torffreie Erden und ein hohes Maß an Biodiversität. Derzeit zahlen die Pächter selbst die Aufwandsentschädigung in Höhe von 60 Euro an die Zertifizierer, um das Prädikat zu erhalten. Zumindest diese Kosten könnte Freistaat oder Bund übernehmen. Denn mehr von mehr Vielfalt profitieren alle.

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