Süddeutsche Zeitung

Kirchbergers Woche:Was sind schon ein paar Millionen

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Der Freisinger Kämmerer kämpft mit den hohen Ausgaben der Stadt. Vom Bund kann er noch viel lernen.

Kolumne von Johann Kirchberger

Mit einer Haushaltssperre will der Freisinger Kämmerer die Rechtsaufsicht besänftigen und damit verhindern, dass der städtische Haushalt für 2023 in Gänze in die Tonne getreten wird. Jede Haushaltsstelle soll mit 20 Prozent weniger Geld auskommen, ausgenommen Personalausgaben. Da haben die Beschäftigten im Rathaus noch einmal Glück gehabt, hätte ja jemand auf die Idee kommen können, ihnen das Gehalt zu kürzen und ersatzweise freien Eintritt ins Hallenbad zu gewähren, womöglich sogar während der Arbeitszeit. Auch die kostenlose Benutzung der Stadtbusse wäre eine Möglichkeit gewesen, den Verdienstausfall wettzumachen. Die Kreisumlage will der Kämmerer weiterhin zahlen und nicht mit einem Verkauf des Hofmiller-Gymnasiums an den Landkreis verrechnen. Fast sensationell aber hört sich die Forderung des Kämmerers an, neue Großprojekte erst dann in Angriff zu nehmen, wenn die laufenden abgeschlossen sind. Auf so was muss man erst mal kommen.

Eigentlich hätte man auch beschließen können, im nächsten Jahr überhaupt keine Rechnungen zu begleichen und eine Schuldenbremse einzubauen. Wenn sich die Freisinger mal mit unserem Tricki-Finanzminister Lindner kurzschließen würden, könnten sie bestimmt erfahren, wie man ohne Geld einen Doppelwumms finanziert und Sondervermögen findet. Aber was regen wir uns eigentlich auf, nur weil 60 Millionen im Haushalt fehlen und die Schulden der Stadt bis Ende nächsten Jahres auf 155 Millionen anwachsen werden. Das ist doch Pipifax, das sind doch nur Millionen, und heutzutage wird doch fast nur noch mit Milliarden gerechnet.

Der Landkreis verfügt über eine Gelddruckmaschine

155 Millionen, die gibt der Landkreis, der jetzt das Haushaltsgebaren der Stadt anprangert, allein schon für den Bau einer neuen Berufsschule aus, ganz grob geschätzt. Ob sich damit auch eine 130 Meter lange Laufbahn im Keller der Schule finanzieren lässt, wird sich zeigen. Die ist bestimmt wichtig, denn auch Berufsschüler müssen Laufen lernen. Ein Mobilitätskonzept braucht es trotzdem noch, weil die Wippenhauser Straße so schmal ist und die vielen Schulbusse gar nicht aufnehmen kann. Mit dem richtigen Konzept vielleicht schon.

Der Landkreis fürchtet sich nicht vor Schulden. Mit der Kreisumlage verfügt er über eine Gelddruckmaschine und da lässt sich womöglich auch noch ein Neubau des Hofmiller-Gymnasiums realisieren. Einen Masterplan für das Krankenhaus gibt es auch noch? Hat man lange nichts mehr davon gehört. Scheint gerade verschollen zu sein. Er sieht unter anderem den Bau von Wohnungen für das Personal, den Bau eines Schwesternwohnheims, einer Tiefgarage und vieler anderer schöner Sachen vor. Da wird der Kreiskämmerer schlucken, auch weil der Krankenhaus-Betrieb längst keine schwarzen, sondern tiefrote Zahlen schreibt.

Katar hat für die Fußball-WM 200 Milliarden ausgegeben. Aber darum geht es derzeit nur am Rande. Es geht auch nicht um die sportlichen Leistungen unserer Fußballer. Viel wichtiger scheint denen und den Kommentatoren zu sein, mit welcher Binde Kapitän Neuer auflaufen darf. Wenn am Sonntag gegen Spanien verloren wird, dann hat sich dieses WM-Thema von ganz allein erledigt. Dann dürfen unsere Kicker heimreisen und allesamt die gleiche Binde anlegen, mit ausdrücklicher Genehmigung der Fifa: eine gelbe mit drei schwarzen Punkten.

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