Süddeutsche Zeitung

Inklusion:Leserbrief

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Leserbrief zu Äußerungen des Schulpsychologen Hans-Joachim Röthlein

Zum Artikel "Die Lücke wird größer" in der SZ Freising vom 16. Februar:

Dem Schulpsychologen am Landratsamt, Hans-Joachim Röthlein, gibt die zunehmende Zahl von Schulbegleitern Rätsel auf. Er selbst erkläre sich das mit Erkrankungen und Depressionen sowie der Zunahme an Schwächen im Schreiben, Lesen und Rechnen, heißt es in dem Artikel. Solche Kinder seien laut seiner Meinung in einem Förderzentrum besser aufgehoben, die Eltern nähmen das allerdings nicht gut an. Mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit wäre angezeigt. Seine Idee der Bildung einer Taskforce nahm auch Frau Mooser-Niefanger positiv auf.

Eine Taskforce gründen - da wären wir als Eltern dabei. Wir könnten Herrn Röthlein sicherlich genauer erklären, wie es dazu kommt, dass Kinder und auch Lehrpersonen in unserem leistungsorientierten und separierenden Schulsystem nur mit spezieller Begleitung eine angemessene Bildung erhalten können. Die Pandemie hat diese Lücke noch mehr in den Fokus gerückt und wird den Bedarf noch verschärfen.

Die Aussage von Herrn Röthlein, dass manche Kinder in einem Förderzentrum seiner Meinung nach besser aufgehoben seien, ist im Sinne des Menschenrechts der Inklusion nicht hinzunehmen. Wir Eltern von Kindern mit Behinderungen sind bestürzt über eine solche Aussage eines Fachmannes, die augenscheinlich die Haltung gegenüber der Heterogenität und des gemeinsamen Lernens im Landratsamt widerspiegelt. Anscheinend ist das Recht auf gemeinsame Bildung aller Herrn Röthlein noch nicht bekannt. Weil das Schulsystem zu starr und noch nicht bereit ist, unseren und alle Kindern inklusiv gerecht zu werden, müssen wir auf Unterstützung bauen, die durch Teilhabeassistenzen gewährleistet werden kann.

Nicht unsere Kinder sind es, denen assistiert werden muss. Dem Schulsystem muss assistiert werden, damit die Kinder teilhaben können. Und wenn der Bedarf an Assistenz steigt, dann ist dies ein Alarmsignal, endlich etwas am System zu verändern.

Deshalb die Aufforderung: Wenn Sie weniger Schulbegleitungen wollen, zweifeln Sie nicht die Entscheidung der Eltern für gemeinsamen Unterricht an, sondern setzen Sie das Personal nicht individuumsbezogen ein, sondern systembezogen. Denn dort hapert's. Nicht bei uns oder unseren Kindern.

Irmi Hierhager,Christine Hack-Reimann, Martina Nickel, Sabine Huber, Susanne Koch, Manuela Steinberger, Angelika Graf, Freising

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Quelle:
SZ vom 04.03.2021
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