Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Igel aus der Mülltonne gerettet

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In diesem Jahr gibt es besonders viele Jungtiere, die Hilfe benötigen, weil es früh sehr kalt geworden ist. Ein Junges ist in einem Container gefunden worden - ein Fall, der Igelmutter Ulrike Kolar besonders empört.

Von Gudrun Regelein, Moosburg

Ein bisschen fassungslos ist Ulrike Kolar auch einen Tag später noch. "Dass Menschen so etwas machen,verstehe ich einfach nicht", sagt die Moosburger Igelmutter am Telefon. An diesem Montag bekam sie einen Anruf aus Freising: Ein Anwohner eines der Hochhäuser in Lerchenfeld hatte in einem der großen Müllcontainer, die vor dem Haus stehen, ein Igeljunges gefunden. "Von selber ist das dort nicht hereingekommen - und von selber wäre es auch nicht wieder herausgekommen." 300 Gramm schwer war der Igel, Kolar hat ihn Felix genannt. Felix bedeute "der Glückliche", sagt sie - und Glück hat Felix tatsächlich gehabt. Wäre er nicht gefunden worden, hätte das seinen Tod bedeutet. Inzwischen ist Felix putzmunter und bei Kolar zu Hause in Pflege. "Er bleibt auch bei mir und wird den Winter über gepäppelt", sagt sie.

Alleine ist Felix dort nicht: Zwischen 42 und 55 Igel sind derzeit bei ihr im Haus, im Wintergarten und - natürlich geschützt - auf der Terrasse. Seit etwa fünf Wochen würden ihr täglich Igel, die versorgt werden müssen, gebracht, erzählt sie. Die ganz schwierigen Fälle bleiben bei ihr, die anderen werden nach der Versorgung wieder mitgenommen. "Aber ich bin schon am Rotieren."

Viele der Igel sind unterkühlt, die meisten mit Maden oder Fliegeneiern besetzt

Viele kleine Igel sind dabei, die zwischen 120 und 250 Gramm wiegen. Die kommen nicht alleine durch den Winter, ohne Unterschlupf, Futter und ohne die Körperwärme der Mutter. Die Mütter nämlich seien schon bereit für den Winterschlaf, es sei schon lange kalt, der Oktober habe Wintertemperaturen gebracht. Viele der Igel, die ihr gebracht werden, seien deshalb unterkühlt, die meisten seien mit Maden oder Fliegeneiern besetzt. "Alle Kleinen bis etwa 400 Gramm, die jetzt noch draußen rumsausen, brauchen Hilfe", betont die Igelmutter.

Nur bei den fitten unter ihnen könne man es riskieren, sie draußen zu lassen - wenn man sie mit einem stabilen, trockenen und warmen Winternest versorge und ihnen Futter und eine Wasserschüssel vor die Nase setze. Alle unter 300 Gramm Körpergewicht aber müssten aufgenommen werden. Wer sie nicht bei sich im Haus haben wolle, könne sie auch im Wintergarten oder Geräteschuppen überwintern lassen. "Aber nur mit einem Unterschlupf und einer Wärmeflasche", sagt Kolar.

"Heuer ist es extrem, das ist eine Invasion - eine Kinderigelschwemme"

Sie habe jedes Jahr viele Igel, aber: "Heuer ist es extrem, das ist eine Invasion - eine Kinderigelschwemme." Sogar ganze Würfe werden ihr gebracht. Der Grund sei das Wetter, "es ist einfach zu kalt." Den Igeln werde immer mehr ihres natürlichen Lebensraums genommen, beklagt Kolar. Zubetonierte Gärten, akkurat gestutzter englischer Rasen - das sei für Igel alles andere als optimal. Dazu kämen Unkrautvernichter, die auch von Hobbygärtnern eingesetzt werden. Für die Igel bedeute das einen Überlebenskampf. "Ich fühle mich da einfach verpflichtet zu helfen." Kolar nimmt nicht nur seit über 30 Jahren Igel bei sich auf, sie hatte auch viele Jahre lang eine Kindergruppe beim Bund Naturschutz und ist für das Tierheim Freising ehrenamtlich tätig. In die Igelbetreuung sei sie reingerutscht, erzählt sie, eine Freundin ließ vor vielen Jahren einen Igel bei sich überwintern, im Jahr darauf fand Kolar ein Igelkind bei sich im Garten und nahm es auf. "Das war der Beginn, das Ganze wurde dann zum Selbstläufer."

Geld bekommt sie dafür keines, im Gegenteil: Sie investiert viel in Futter, Stroh, Heu, Medikamente und Arztrechnungen. Inzwischen bekomme sie aber immer wieder Spenden, Futter für die Igel beispielsweise. Neulich habe ein Bekannter Igelhäuser gebaut und gegen Spenden hergegeben. "Das Geld bekam dann ich." Sie habe das "ganz toll" gefunden, auch wegen der schönen Geste.

Wer Fragen zur Igelpflege hat oder selbst Tiere aufnehmen möchte, kann sich bei Ulrike Kolar unter der Telefonnummer 0 87 61/6 03 65 melden (auf den Anrufbeantworter sprechen).

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Quelle:
SZ vom 23.10.2021
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