Süddeutsche Zeitung

Hoch emotionale Diskussion um 219a:Nach wie vor ein Tabuthema

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Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche soll mit der Ergänzung des Paragrafen 219a gelockert werden. Im Landkreis Freising gibt es aber keinen Arzt, der solch einen Eingriff überhaupt vornehmen würde.

Von Gudrun Regelein, Freising

Erst am Tag zuvor war wieder eine Frau bei ihr in der Konfliktberatung, erzählt Doris Hofmann. "Sie war in einer extremen Notsituation", sagt die Leiterin von Donum Vitae Freising. Schwangere Frauen, die einen Abbruch erwägen, befänden sich in einem unvorstellbar großem Dilemma: "Die allermeisten erleben diese Situation als Drama und haben Schuldgefühle - ein Abbruch ist ganz sicher kein Entschluss, der leichtfertig gefasst wird." Nach wie vor sei eine Abtreibung ein Tabuthema, sagt Hofmann.

Deshalb findet sie den Gesetzesentwurf der Regierungskoalition zur Ergänzung des Paragrafen 219a auch gut. "Der Kompromissvorschlag verbessert die Information für Frauen und schafft Rechtssicherheit für Ärzte", sagt Hofmann. Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche wird in der Neufassung um einen "Ausnahmetatbestand" ergänzt: So sollen Krankenhäuser und Arztpraxen, die nach der vorgeschriebenen Beratung eine straffreie Abtreibung durchführen, auch darauf hinweisen dürfen. Außerdem kann auf ärztlichen Homepages zu neutralen, staatlichen Seiten und anerkannten Beratungsträger verlinkt werden, die weitere Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen, der rechtlichen Situation und den medizinischen Methoden bieten. Auch sollen Frauen zukünftig im Internet eine von der Bundesärztekammer geführte aktuelle Liste der Ärzte und Krankenhäuser, die eine Abtreibung vornehmen, finden. Bislang, so Hofmann, habe Donum Vitae den betroffenen Frauen noch nicht einmal die Namen dieser Ärzte oder Kliniken nennen dürfen. "Das würde definitiv eine Verbesserung bedeuten."

Für die meisten Ärzte sei die Abtreibung ein sehr emotional besetztes Thema - und zugleich eine ethische Frage, sagt Hofmann. Im gesamten Landkreis Freising gebe es keinen Arzt, der den Abbruch vornehme. Frauen müssten dafür nach München fahren. Auch im Klinikum Freising wird dieser Eingriff nicht vorgenommen. "Ob ein Arzt eine Abtreibung macht, muss natürlich jeder für sich selber entscheiden, das ist sein gutes Recht. Aber es muss ja auch welche geben, die es machen. Früher mussten die Frauen dafür zu Engelmacherinnen gehen", sagt sie. Allerdings würde das Angebot einer Abtreibung für Ärzte in einem katholisch geprägten und konservativen Landkreis wie Freising wahrscheinlich ein Spießrutenlaufen bedeuten: Ein Abbruch sei für viele kein Eingriff wie eine Blinddarmoperation - sondern die Tötung von ungeborenem Leben. "Wahrscheinlich würde ein Arzt hier keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen." Früher sei eine Abtreibung ein unglaubliches Prozedere gewesen, das eine Unzahl an Gutachten erfordert habe, sagt Heino Pause, der viele Jahre als Gynäkologe in Freising praktiziert hat. Damals seien die meisten Frauen dafür nach Holland gereist, bis 1976 die Neufassung des Paragraf 218 eingeführt worden sei: Nach dem Gesetz ist eine Abtreibung zwar nach wie vor rechtswidrig, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei.

Heino Pause selbst hat nie einen Abbruch vorgenommen, wie er sagt. "Außer es gab dafür eine medizinische Indikation, also beispielsweise wenn das Kind nicht lebensfähig war." Eine Abtreibung widerspreche dem ärztlichen Credo, Leben zu erhalten, sagt er. Heino Pause würde sich von der Neufassung des Paragrafen eine größere Sicherheit, ob eine Abtreibung nun legal oder illegal sei, wünschen. "Aber in dieser Form ist die Regelung wachsweich. Die Politiker trauen sich einfach nicht, eine wirkliche Entscheidung zu treffen", kritisiert er. Aussagen und Informationen zu einer Abtreibung sollten erlaubt sein.

Der Leiter des Gesundheitsamtes Freising, Lorenz Weigl, hält den Kompromissvorschlag für "durchaus angebracht". Das Gesundheitsamt gebe bereits jetzt schwangeren Frauen, die das wünschen, Einsicht in eine Liste mit Adressen von Ärzten und Kliniken, die einen Abbruch durchführen. Zuvor würden die Frauen ausführlich beraten und erhielten den für einen Abbruch notwendigen Beratungsschein. Die von der Regierung regelmäßig aktualisierte Liste werde den Gesundheitsämtern und gesetzlichen Krankenkassen zugesandt, so Weigl. Als Leiter könne er Mitarbeiter des Gesundheitsamts mit der Auskunftserteilung beauftragen - und habe das auch getan.

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SZ vom 02.02.2019
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