Süddeutsche Zeitung

Der Krippensammler:Leben mit Ochs und Esel

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Der Freisinger Alt-OB Dieter Thalhammer sammelt seit mittlerweile 60 Jahren Krippen. Überall im Haus begegnet einem die Heilige Familie, die Schränke sind voll. Seine Frau findet, es reicht jetzt.

Johann Kirchberger, Freising

Vom Keller bis zum Speicher ist sein Haus in Lerchenfeld vollgestellt mit Weihnachtskrippen. Dabei hat der Freisinger Alt-Oberbürgermeister Dieter Thalhammer nur einige wenige aufgebaut, es fehlt ihm einfach der Platz. Dieter Thalhammer, von 1994 bis 2012 SPD-Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Freising, ist leidenschaftlicher Krippensammler, besitzt mindestens 60 Großkrippen und weit über 1000 Einzelfiguren, die er in Schränken aufbewahrt. Dazu kommt die Krippenliteratur, unzählige Bücher sind das, in denen er gerne blättert.

Seit fast 60 Jahren sammelt und kauft Dieter Thalhammer Krippenfiguren, baut die passenden Landschaften dazu größtenteils selbst und erfreut sich daran. Dass "Leidenschaft auch Leiden schafft", weiß vor allem seine Frau Maria, die ihren Dieter bisher nicht so richtig bremsen konnte. "Aber jetzt ist Schluss, jetzt muss er sich was einfallen lassen", sagt sie angesichts der Tatsache, dass sie seit Jahren in einem Krippen-Museum lebt. So richtig was eingefallen ist ihm aber noch nichts.

Seine Kinder sind keine "Krippennarrischen", so wie er, erzählt er. Sein Sohn wolle gar keine Krippen haben, seiner Tochter habe er eine Hutschenreuther-Krippe geschenkt, die sie zwar in Ehren halte, mehr wolle sie nun aber nicht. Eine Krippe mit lebensgroßen Figuren, geschnitzt von Josef Bauer aus Nandlstadt, habe er der Stadt Freising als Leihgabe überlassen. Sie wird jedes Jahr im 1. Stock des Freisinger Rathauses aufgestellt. Das Angebot an das Freisinger Stadtmuseum, seine Sammlung zu übernehmen, sei gescheitert, "die haben auch keinen Platz, die Depots sind voll".

Bleibt das Diözesanmuseum auf dem Domberg. Einen Teil habe er bereits dorthin verschenkt, ob die einmal alles haben wollen, wisse er noch nicht. Das Museum könne zwar nicht alles ausstellen, aber es könnte einzelne Krippen zusammenstellen und an umliegende Pfarreien verleihen, "damit sie irgendwer anschauen kann". Und alles verkaufen? Das bringt Dieter Thalhammer zum einen nicht übers Herz, zum anderen glaubt er nicht, dass er einen guten Preis erzielen kann. Er selbst hat viel Geld in seine Krippen investiert, für eine Figur muss man schon an die 300 Euro ausgeben, es können auch mehr werden.

Er habe da etwa Kamele und Elefanten, die zum Zug der Heiligen Drei Könige gehören, die würden 600 Euro das Stück kosten. Seine erste Krippe hat Thalhammer als Bub zusammen mit seinem Vater gebastelt. Mit der Laubsäge hätten sie damals Figuren ausgeschnitten. Dann habe er die Krippen wieder vergessen, erzählt er. Erst als er im damals neu eröffneten Freisinger Diözesanmuseum eine große neapolitanische Krippe gesehen habe, sei er von der Krippen-Leidenschaft gepackt worden. Eine Leidenschaft, die er übrigens mit Franz Xaver Huber teilt, dem früheren Lerchenfelder Stadtpfarrer, "der hat noch deutlich mehr Krippen als ich".

Angefangen habe seine Leidenschaft während eines Urlaubs in Südtirol. Da wollte er sich eine wertvolle Krippe kaufen. In St. Ulrich sei er mit seinem Stadtratskollegen Ernst Wengert durch die Geschäfte gezogen. Eine handgeschnitzte Haller-Krippe sei ihm allerdings zu teuer gewesen und er habe nur einzelne Figuren gekauft, "aber dann hat mich der Ehrgeiz gepackt". Was alles zu einer Krippe gehört? Die Hilige Familie natürlich, Hirten, Ochs und Esel, ein Verkündigungsengel. Dazu noch die Heiligen Drei Könige mit ihren Reittieren, Kamele, Pferde und Elefanten.

In seinem Wohnzimmer hat Thalhammer heuer eine handgefertigte Krippe von Angela Tripi aus Palermo aufgebaut. 245 mal 60 Zentimeter groß ist sie. Außerdem stehen da noch sechs Blechfiguren aus Taiwan, die er im Internet ersteigert hat. Auf dem Balkon hat der Alt-OB eine Blechkrippe aus der Oberpfalz stehen. Schon ein wenig verrostet ist sie, aber das macht gerade ihren Reiz aus. Im Obergeschoss zeigt er stolz eine Wurzelkrippe von Ottmar Nogler aus Südtirol.

Krippen-Figuren aus Taiwan stehen auf der Fensterbank im Wohnzimmer.

Im Treppenaufgang hängt eine Wurzelkrippe.

Eine Blechkrippe aus der Oberpfalz steht bei Thalhammers auf dem Balkon.

In einem Schrank, ein wenig versteckt, hat er Glaskrippen, eine in einem Block von Kristian Klepsch aus Frauenau, eine aus Murano. Daneben steht eine Krippe aus Terrakotta, die er in Brixen gekauft hat. Eine Handarbeit aus Berchtesgaden zeigt nur das Jesuskind. Einige Figuren stammen aus Peru. Die hat er aus dem Kloster Münsterschwarzach bekommen und wurde von Padres geschickt, die dort als Missionare tätig sind. Auch eine Krippe aus Burkina Faso ist über Missionare und das Kloster Plankstetten bei ihm gelandet. Mit Stolz zeigt er eine Puig-Krippe aus Portugal, die ebenfalls zu seinen Schätzen gehört.

Auch mehrere Fatschenkindl (in Bänder gewickelte Bildnisse des Jesuskinds) stehen überall herum. Im Keller steht in zwei großen Schränken eine Figur neben der anderen. Eine aus Zirbelholz, eine aus Pappmaché, die einmal in der ehemaligen DDR gefertigt wurde, Porzellanfiguren von Hutschenreuther, einige, die aus künstlichem Holz in China hergestellt wurden. Teile einer Fastenkrippe des italienischen Bildhauermeisters Lois Fasching habe einmal sein Stadtratskollege Gerd Völlinger aus dem Abfall gerettet und ihm geschenkt, erzählt Thalhammer.

Über die vielfältigste und bedeutendste Krippensammlung überhaupt verfügt wohl das Freisinger Diözesanmseum, schildert Dieter Thalhammer. Deshalb sei er auch stolz darauf, dass das Diözesanmuseum auf seine Vermittlung hin eine Hallersche Papierkrippe kaufen konnte. 40 000 Euro habe die gekostet, die er mit Spenden zusammengebracht habe, sagt Dieter Thalhammer. Georg Haller sei einer der berühmtesten Krippenmaler Tirols im 18. und 19. Jahrhundert gewesen.

Die Kunstwerke seien später fotografiert und auf Bastelbögen gedruckt worden. Klar, dass Thalhammer über 300 davon besitzt. Ausgeschnitten hat er sie aber noch nicht, er hat einfach keine Zeit dafür gehabt. Irgendwie hat er inzwischen eingesehen, dass er seine Krippenleidenschaft zügeln muss. "Das ist nicht nur eine Platz-, sondern auch eine Geldfrage, sagt er. Aber Figuren zu kaufen und Krippenställe zu bauen, "das habe ihm einfach immer Spaß gemacht".

Jetzt wolle er nur noch einzelne Exponate aus fernen Ländern sammeln und er will zu Krippenausstellungen fahren. Zu seinen weiteren Plänen gehöre auch, alle seine Krippen zu katalogisieren, sie zu fotografieren, zu beschreiben und zu erläutern, wo er sie gekauft habe und was sie gekostet hätten. Gewünscht hätte er sich immer eine eigene Stadtkrippe, sagt Dieter Thalhammer. Aber dafür sei "im Stadtrat nicht die notwendige Euphorie dagewesen". So eine Leidenschaft, bedauert er, teile eben nicht jeder.

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