Süddeutsche Zeitung

Freising: Streit um Solaranlage:Ortsbild "endgültig" gestört

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Ein Freisinger will eine Photovoltaikanlage installieren und der Stadtrat verweigert die Erlaubnis. Dabei ist das Dach nur von einer Stelle aus zu sehen - dem Kirchturm.

Sabina Dannoura

Mal fällt der Antrag durch, mal wird er genehmigt: In der Freisinger Altstadt gibt es keine klaren Regeln, ob ein Dach mit einer Solar- oder Photovoltaikanlage aufgerüstet werden darf. Die jüngste Entscheidung ist im Bauausschuss zu Ungunsten des Bauherren ausgefallen: Reinhard Bungartz wurde es untersagt, die Solaranlage auf seinem Haus an der Ziegelgasse mit Photovoltaik-Modulen zu ergänzen. Die Fraktion der Grünen hat den Beschluss bereits für den Stadtrat reklamiert.

Was Bungartz bereits auf seinem Dach installiert hat, lässt sich nur an einem Ort begutachten: vom Kirchturm Sankt Georg aus. Von dort haben Besucher einen wunderbaren Blick auf die Freisinger Altstadt, sofern sie in den Sommermonaten die gut 200 Stufen bis zum Turmstüberl bewältigen. Hier sieht man auch die 20 Quadratmeter große Solaranlage auf den ziegelroten Dachschindeln, die Bungartz im Jahr 2007 genehmigt wurde, wie ein Foto beweist. Jetzt sollten 43 Quadratmeter für eine 6,1 Kilowatt-Anlage mit 54 Photovoltaik-Modulen dazukommen: Die gesamte Dachfläche, die an die alte Seifenfabrik anschließt, wäre somit mit Kollektoren bedeckt.

Das Landesamt für Denkmalpflege, das bei Projekten im historischen Altstadt-Ensemble zu beteiligen ist, legt in solchen Fällen regelmäßig sein Veto ein: Es gebe bereits eine "Vorbeeinträchtigung", hieß es nun bei diesem Projekt, und mit der Photovoltaik(PV)-Anlage würde das Ortsbild "endgültig" gestört. Dass kein Spaziergänger die schwarzen Module zu Gesicht bekommt, zählt für die Behörde nicht: Es reicht ihr, dass vom Sankt Georgsturm aus das Bungartz-Dach zu erkennen ist.

Die Stadt muss sich diesen Bedenken nicht beugen: Sie kann das Interesse des Antragstellers stärker gewichten als die Argumente der Denkmalschützer. Und in der Vergangenheit hat sie sich tatsächlich schon mehrfach quer gestellt: Zuletzt im Februar dieses Jahres, als eine Solaranlage am Oberen Graben genehmigt wurde - obwohl diese auf dem der Gasse zugewandten Dach angebracht und somit nicht nur vom Kirchturm aus, sondern für jeden Passanten einsehbar ist. Seinerzeit gestanden Stadtverwaltung und Stadträte dem Bauherren trotzdem zu, dass er mit Solarkollektoren umweltfreundlich Wärme gewinnen kann.

Erlaubnis verweigert

Als einen weiteren Beitrag für die im Landkreis angestrebte Umstellung auf regenerative Energien bis 2035 sieht Umweltreferent Manfred Drobny (Grüne) das Bungartz-Vorhaben. Das gesamte Dach mit Modulen zu bedecken, sei außerdem optisch eine Verbesserung, argumentierte er im Bauausschuss. "Das ist kein Raum, in dem sich Bürger täglich bewegen", wies Eva Bönig (SPD) auf das abseits der Gasse situierte Wohnhaus hin. Die nur vom Turm erkennbare PV-Anlage abzulehnen, erschien ihr als "nicht verhältnismäßig". Auch Monika Hobmair (ÖDP) befand: "Von unten stört es das Stadtbild überhaupt nicht."

CSU und Freie Wähler schlugen sich dagegen auf die Seite der Stadtverwaltung. Ein einheitliches Bild "geschlossener Dachflächen" und die "Optik der Innenstadt" seien ihm wichtiger als eine umweltfreundliche Stromgewinnung, sagte Reinhard Fiedler (CSU). Und Benno Zierer (Freie Wähler) warb dafür, "linientreu" zu bleiben und PV-Anlagen abzulehnen. Baudirektor Gerhard Koch erläuterte noch, dass in Bayern lediglich ein Prozent der Gebäude Baudenkmäler seien oder sich im geschützten Ensemble befänden. Für eine Energiewende reichten die restlichen 99 Prozent der Gebäude "bei Weitem" aus.

Mit acht zu sechs Stimmen wurde Bungartz die Erlaubnis verweigert. Noch knapper, mit Stimmenpatt, war vor neun Monaten die Schreinerei Dietz gescheitert: Diese wollte auf ihrem früheren Werkstattgebäude an der Stiegelbräugasse eine 59 Quadratmeter große PV-Anlage installieren. Auch da wurde ein Streit zwischen denkmalpflegerischen Belangen und der Förderung von regenerativen Energien geführt. Was ist nun wichtiger? Planungsreferent Anton Frankl (CSU) fordert für die Altstadt eine "generelle Lösung", also das Aus für Energiegewinnung aus Sonnenkraft. Damit die Bauherren wissen, woran sie sind.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2010
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