Süddeutsche Zeitung

Mitten im Landkreis:Sirtaki im Home-Office

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Wer es sich auch in Coronazeiten schön machen will, sollte kreativ sein.

Glosse von Alexander Kappen

Wer gedacht hat, dass er zum 1. Januar das keinesfalls vergnügungssteuerpflichtige Jahr 2020 einfach mal so in die Tonne treten und locker-flockig mit dem Nachfolgemodell 2021 beginnen kann, der wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Es scheint so, also sei das alte Jahr, weil man sich so schön dran gewöhnt hat, einfach verlängert worden.

Der aus dem Vorjahr berühmt-berüchtigte Lockdown wird - gespickt mit ein paar kleinen Verschärfungen - im neuen Jahr nahtlos verlängert. Und auch sonst ist es die Zeit der großen Verlängerungen. In Moosburg etwa hat die Stadt entschieden, analog zum Lockdown auch die Zeit der Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt zu verlängern und diese bis Ende Januar hängen zu lassen. In der Hoffnung, dass das auch die Hauseigentümer machen, um in der in jeder Hinsicht dunklen Jahreszeit ein bisschen Licht in die weitgehend zugesperrte Altstadt zu bringen. Tür zu, Licht an!

Auch das Prinzenpaar der Moosburger Narrhalla, das im vergangenen Februar eigentlich schon ausgedient hatte, hängt noch mal eine Extra-Schicht dran und verlängert sozusagen seine Regentschaft. Weil ein Fasching im eigentlichen Sinn heuer pandemiebedingt eher keine so gute Idee ist und daher ausfällt, kann auch der für Samstag geplante "Ball der Stadt Moosburg" mit der Inthronisation des neuen Prinzenpaars nicht stattfinden. Stattdessen schauen an diesem Freitag noch mal die Hoheiten aus der vorigen Saison vor dem Rathaus vorbei, um sich ein weiteres Mal symbolisch den Rathausschlüssel übergeben zu lassen. Pandemie hin oder her - ein bisschen Spaß muss sein.

In die Verlängerung geht übrigens auch der klassische Winter, von dem man in den vergangenen Jahren zuweilen gedacht hat, dass er sich für immer verabschiedet hat. Und jetzt das: Kälte und Schnee! Das soll das Lockdown-geschädigte Volk dem Vernehmen nach diese Woche sogar dazu gebracht haben, zum Rodeln nach Marzling zu fahren. Auch Autos mit Münchner Kennzeichen sollen dort gesichtet worden sein. Marzling oder Madrid, Hauptsache irgendwo anders hinfahren und einen Hauch von Urlaubsfeeling erhaschen. Man kann sich dafür natürlich auch einen Eimer Sangria ins Wohnzimmer stellen und Bilder vom letzten Trip nach Malle anschauen. Oder sich so oft "Essen to go" vom Griechen nebenan holen, bis sich der wohlige, Knoblauch-lastige Tsatsiki-Geruch unauslöschbar in sämtlichen Gardinen festgesetzt hat und man mit diesem Duft in der Nase jeden Morgen Sirtaki tanzend ins Home-Office schwebt.

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