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Freisinger Oberstufenkoordinatorin im SZ-Interview:Ein Abitur-Jahr, das in Erinnerung bleibt

Lesezeit: 3 min

Bettina Lohs ist stolz auf die 86 Absolventen des Josef-Hofmiller-Gymnasiums - trotz der Corona-Einschränkungen sind die Ergebnisse gut ausgefallen. Der digitale Unterricht hat aber alle gefordert.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Das Abi 2020 ist geschrieben, am vergangenen Freitag haben die Absolventen ihre Noten erfahren. "Es war ein toller Jahrgang mit Schülern, die sich organisieren können", sagt Bettina Lohs, Oberstufenkoordinatorin am Josef-Hofmiller-Gymnasium. Die 86 Absolventen am Joho hätten die coronabedingte Ausnahmesituation prima gemeistert, "ich bin von den Abi-Ergebnissen in diesem Jahr ganz sicher nicht enttäuscht", lobt sie. Der Notendurchschnitt entspreche dem der Vorjahre. "Das Abitur 2020 wird aber für uns alle ein ganz besonderes bleiben. Es wird immer der Corona-Jahrgang sein."

SZ: Frau Lohs, gab es im März, zu Beginn des Lockdowns, eigentlich auch einmal den Punkt, an dem Sie dachten, es wird in diesem Jahr kein Abitur geschrieben?

Bettina Lohs: Nein, nie. Ich hätte zwar niemals gedacht, dass die Corona-Pandemie solche Auswirkungen haben wird. Aber ich war mir immer sicher, dass gerade in Bayern eine Abiturprüfung stattfindet und man sich nicht auf halbseidene Ideen einlässt.

Was war für Sie in den Wochen, als auch die Schulen geschlossen waren, besonders belastend?

Na ja, das Aufwändigste war sicher, den Unterricht digital zu organisieren. Das war ein Wahnsinnsaufwand und hat enorm viel zusätzliche Zeit gekostet. Für eine Stunde Unterricht habe ich oft vier Stunden Vorbereitung gebraucht. Dazu kam zu Beginn die Ungewissheit, wie es weitergeht. Ich bin ein Mensch, der Verlässlichkeit braucht. Und es war nicht einfach, den Schülern nicht sagen zu können, wie es weitergeht. Ich habe in den Wochen des Homeschoolings aber auch viel gelernt: Ich bin ein Mensch des Papiers. Für mich war es eine Herausforderung, den Unterricht auf digital umzustellen oder Videosprechstunden abzuhalten - aber es hat funktioniert. Eine Dauerlösung wäre es für mich aber trotzdem nicht.

Wie kamen die Schüler mit dieser Situation zurecht?

Das war sehr unterschiedlich. Ich kann da vor allem für meinen Mathekurs sprechen. In dem kamen die meisten sehr gut damit klar, konnten prima mit den Materialien umgehen und fühlten sich bestens vorbereitet. Die Abi-Ergebnisse sind ja auch wirklich grandios. Ich bin echt stolz auf meinen Kurs. Aber es gab dennoch Schüler, die Probleme hatten und denen es schwer gefallen ist, sich zum Lernen zu motivieren. Zum Glück hat das Homeschooling für die Abiturienten nicht ewig gedauert. Das waren die drei Wochen vor und eine Woche nach Ostern. Kurz nach den Ferien ging es dann für die Abschlussklassen mit dem Präsenzunterricht weiter. Mein Mathekurs hatte eigentlich schon im März den Wissensstand an der Schwelle zum Abi - so viel wertvolle Unterrichtszeit haben wir dann also gar nicht verloren.

Über die Rückkehr an die Schulen waren dann alle glücklich?

Definitiv. Persönlichen Kontakt zu haben, sich sehen zu können, ist einfach wichtig. Die Stimmung war nach der Rückkehr sehr diszipliniert. Wir haben dann im Schnelldurchlauf alles wiederholt und offensichtlich ist der Stoff, der während des Homeschoolings vermittelt wurde, verstanden worden. Meine Schüler wollten möglichst bald damit beginnen, im Unterricht gezielt Abituraufgaben zu üben.

War es für Sie letztendlich eine gute Lösung, wie das Abitur 2020 über die Bühne ging?

Ja, das war es. Ich denke, es war eine faire Lösung, die fehlenden Klausuren des zweiten Halbjahres nicht nachschreiben zu lassen. Stattdessen gab es ausgeklügelte Günstigerrechnungen. Dadurch wurde das Versprechen eingehalten, dass den Abiturienten keine Nachteile durch die Corona-Krise entstehen.

Gar kein Abi zu schreiben, wie auch diskutiert wurde: Wie wäre das gewesen?

Mancher hätte sicher gesagt, ist ja super: Abizeugnis ohne Abiprüfung. Aber viele wollten das gar nicht, denn sie hatten viel Zeit in die Vorbereitung investiert. Sie wollten nach all den Jahren die große Prüfung schreiben, sich bewähren und einen richtigen Abschluss ihrer Schulzeit haben. Ich sehe es ganz sicher als die bessere Lösung für die Schüler, denn sie haben sich der Situation gestellt. Und sie haben nicht das Gefühl, ein geschenktes, ein nicht verdientes Corona-Abi zu haben.

Die Prüfungen sind vorbei. Gab es denn einen Corona-Bonus?

Ich kann das nur für die schriftliche Prüfung in Mathematik beurteilen, nicht für die anderen Fächer. Diese war teilweise nicht so textlastig wie in den vergangenen Jahren. Sagen wir es einmal so: Es war kein überdurchschnittlich schweres Mathematikabitur.

Trotz aller Normalität, die wir mittlerweile wieder haben: Eine Abschlussfeier oder einen Abiball wird es wohl nicht geben?

Viele Mädchen haben sich schon vor der Corona-Krise ihr Abikleid gekauft, das hängt jetzt im Schrank. Der Abiball muss leider ausfallen. Die Schüler nehmen sich vor, ihn im September nachzuholen, aber selbst wenn sie das organisieren können, wird das nicht mehr dasselbe sein. Es gab auch keine Mottowoche und es wird keinen Abistreich geben. Aber wir werden zumindest eine Verabschiedung haben: in sechs Schichten und mit jeweils maximal 50 Personen. Jede Abiturientin und jeder Abiturient darf zwei Begleitpersonen mitbringen. Livemusik haben wir natürlich nicht, aber wir werden das traditionelle Lied des Lehrerchors aufnehmen und dann einspielen. Nach jeder Feier wird aufgeräumt und der Raum desinfiziert, dann kommt die nächste Gruppe. Das heißt, dass ich an diesem Tag sechsmal die gleiche Rede halten werde (lacht). Für uns war es aber nie eine Option, den Schülern ihr Abizeugnis in einem Umschlag zuzuschicken. Das Abitur ist etwas ganz Besonderes und der Abschied nach so vielen Jahren muss zelebriert werden.

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Quelle:
SZ vom 29.06.2020
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