Süddeutsche Zeitung

Europawahl 2019:Wie Kommunen damit umgehen, öffentliche Aufträge EU-weit auszuschreiben

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Kommunen müssen größere Aufträge EU-weit ausschreiben. Das hat nicht nur Nachteile.

Von Petra Schnirch, Landkreis

Wenn Kommunen öffentliche Aufträge zu vergeben haben, sind ihnen in der Regel die Hände gebunden. Wird ein gewisser Schwellenwert überschritten, müssen diese sogar EU-weit ausgeschrieben werden. Das mag, wenn es beispielsweise um Schulverpflegung geht, absurd anmuten. Für Kommunen und Landkreise aber ist es längst Routine. Der Mehraufwand im Vergleich zu nationalen Ausschreibungen ist nach Auskunft der Stadt Freising gering. Da die Angebote seit Oktober 2018 nur noch in elektronischer Form angenommen werden, sei dies sogar eine Erleichterung, sagt Pressesprecherin Christl Steinhart.

Immer wieder mal hört man in Gemeinderäten Klagen, wenn der Zuschlag für ein Bauprojekt an ein auswärtiges Unternehmen ging, das später nicht greifbar war, wenn Probleme auftauchten. Die Runde machte auch die Geschichte eines Busunternehmers aus dem Landkreis Dachau, der nach Jahrzehnten eine lukrative Linie verloren hatte, weil der Auftrag europaweit ausgeschrieben werden musste. Die Konkurrenz kommt aber selten aus dem Ausland, sondern mitunter sogar aus der eigenen Region.

Der Schwellenwert für EU-Ausschreibungen liegt bei etwa 5,5 Millionen Euro

Bei Bauvorhaben gilt für EU-Ausschreibungen ein Schwellenwert von etwa 5,5 Millionen Euro. In Freising greift dies in jüngster Zeit vor allem bei der Generalsanierung des Asamgebäudes, der Neugestaltung der Innenstadt und dem Bau der Westtangente. Angebote aus dem Ausland sind laut Steinhart die Ausnahme. Dass eine dieser Firmen zum Zuge kommt, sei sogar "ganz, ganz selten".

Sowohl bei nationalen als auch bei europaweiten Ausschreibungen unterstützen in der Regel externe Planer Fachämter und Vergabestelle der Stadt. Würden sich die Verantwortlichen dort eine Verringerung des bürokratischen Aufwands wünschen? Den werde es in einem gewissen Rahmen immer geben, sagt Christl Steinhart. "Wünschenswert wären längere Phasen, in denen sich die Gesetze und Verordnungen nicht ändern."

Kleinere Gemeinden sind bei Bauvorhaben eher selten betroffen. In Kranzberg könnte der Bau des Mehrgenerationenhauses eine EU-Ausschreibung notwendig machen. Derzeit liegt die Kostenberechnung bei fast 7,2 Millionen Euro. In einem ganz anderen Bereich, beim Kauf von Feuerwehrfahrzeugen, waren die Kranzberger bereits betroffen: Das Rennen machte dabei ein Anbieter aus Österreich, der aber eine Filiale in Zahna-Elster, in Sachsen-Anhalt, unterhält.

In Neufahrn mussten die Aufträge für die neu errichtete Grundschule am Fürholzer Weg europaweit ausgeschrieben werden. Das gilt demnächst auch für einen Drei-Jahres-Vertrag zur Verpflegung an den Grundschulen. Bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen liegt der Schwellenwert bei 221 000 Euro.

Rund 18 Mitarbeiter kümmern sich im Landratsamt um die EU-weiten Vergaben

Im Landratsamt Freising beschäftigen sich in der Abteilung des kommunalen Hoch- und Tiefbaus etwa 18 Mitarbeiter mit EU-weiten Vergaben, teilweise unterstützt von Beratungsbüros. 2018 wurden beispielsweise die Reinigungsarbeiten für drei landkreiseigene Schulen vergeben. Für die Erweiterung der Realschule in Au gab es Ausschreibungen mit einem Volumen von sechs Millionen Euro. Derzeit wird ein Erdgas-Lieferant gesucht. Er soll alle kreiseigenen Liegenschaften wie Verwaltungsgebäude, Schulen und Wohnanlagen mit klimaneutralem Erdgas versorgen, wie Pressesprecherin Eva Zimmerhof erklärt. Insgesamt geht es um 19 Abnahmestellen, der Auftrag hat ein Volumen von etwa 821 000 Euro brutto. EU-weite Ausschreibungen werden in der Behörde "keinesfalls grundsätzlich negativ" gesehen, teilweise ergeben sich laut Zimmerhof finanzielle Vorteile.

Keine Probleme hat die örtliche Handwerkerschaft. Er wisse von keinem einzigen Fall, dass ein ausländisches Unternehmen den Zuschlag erhalten hätte, sagt Kreishandwerksmeister Martin Reiter. Die Volumen seien für die kleinen Betriebe in der Region meist ohnehin zu hoch. Schwierigkeiten gebe es aber bei der Gewährleistung, sagt Reiter: "Wenn die Heizung ausfällt, fährt keiner 600 Kilometer weit." Für die Reparatur "sind wir dann wieder gut genug". Der Kranzberger Verwaltungsleiter Klaus Burgstaller erinnert sich an die Sanierung eines Kindergartens in der Gemeinde, in der er früher tätig war. Dafür waren nur örtliche Handwerker eingespannt. "Das war ein Traum", erzählt Burgstaller. Keiner wollte sich etwas nachsagen lassen. "Mit der Gewährleistung hat es überhaupt keine Probleme gegeben."

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