Süddeutsche Zeitung

Europawahl 2019:Klartext, bitte!

Lesezeit: 3 min

Der Kreisjugendring diskutiert mit Kandidaten verschiedener Parteien über die Europawahl. Es geht viel um Klimaschutz und Grenzkontrollen. Abstrakte Antworten akzeptieren die Jugendlichen nicht.

Von Nadja Tausche, Freising

"Mitreden! Fragen stellen! Antworten bekommen!". Das war das Motto der Fishbowl-Diskussion, die der Kreisjugendring Freising zur Europawahl veranstaltet hat. Mitreden sollten die Jugendlichen der Region: Etwa 50 junge Leute sind am Donnerstagabend ins Alte Jugendzentrum (JUZ) in Freising gekommen. Antworten bekommen wollten sie von Kandidaten der Europawahl. Zum Teil kamen die Politiker aus dem Landkreis Freising, einige aber auch von weiter weg: Der FDP-Kandidat Helmer Krane erzählte in der Vorstellungsrunde, er sei für die Diskussion extra aus Schleswig-Holstein angereist.

Tempo in die rund zweieinhalb Stunden lange Diskussion brachte die Regel, dass die Kandidaten ihre Antwort auf nur eine Minute beschränken mussten. Vervollständigen sollte die reine Männerrunde eigentlich Reinhard von Wittken (Grüne) - der war aber krank. Die Jugendlichen durften ihre Frage jeweils an je zwei Parteivertreter stellen. Zuvor hatte Lea Sedlmayr, europapolitische Referentin des Bayerischen Jugendrings (BJR), beschrieben, welche Rolle die EU für die Jugendlichen im Raum eigentlich einnehme: Die Union sei zum Beispiel Geldgeber für Programme wie Erasmus, "so steuert die EU die Politik", erklärte sie.

Beim Thema Umweltschutz wird es hitzig

Zu den am hitzigsten diskutierten Themen des Abends gehörte der Punkt Umweltschutz. "Fast alle Parteien sind sich einig, dass Klimaschutz wichtig ist. Wieso passiert dann nichts?", wollte eine Jugendliche mit Bezug auf die Fridays-for-future-Bewegung wissen. Die Demonstrationen von Schülern für mehr Umweltschutz fanden die befragten Politiker zwar gut - bei der Frage, was sie denn nun konkret gegen den Klimawandel tun wollen, gingen die Meinungen aber auseinander. FDP-Kandidat Krane sprach sich für Klimazertifikate aus, Korbinian Rüger von der SPD will lieber eine CO₂-Steuer einführen. Christoph Birghan (AfD) vertrat den Standpunkt, Umweltschutz dürfe nicht zulasten von Arbeitsplätzen und "einem gewissen Wohlstand" gehen - die Diskussion um das Thema Klimawandel sei zu sehr "panikgetrieben", antwortete er Fragestellerin Philomena Böhme vom Kreisjugendring (KJR). Erfrischend war, dass die Jugendlichen den Kandidaten abstrakte Antworten oft nicht durchgehen ließen. Tobias Weiskopf vom KJR fragte, ob für Europa Binnengrenzen oder eine gemeinsame Außengrenze sinnvoller seien. ÖDP-Kandidat Reinhold Reck sprach zunächst über die Herkunftsländer von Geflüchteten, erst auf Nachfrage erklärte er: keine Binnengrenzen. Luisa Huesmann, ebenfalls vom KJR, forderte von Krane konkrete Antworten zur FDP-Position, man wolle Grenzen relativieren. Gemeint sei, dass die EU vor allem "bürokratische Grenzen", abbauen müsse, erwiderte er. Dass die Kontrollen, die mehrere EU-Länder seit der sogenannten Flüchtlingskrise an den Binnengrenzen durchführen, auf lange Sicht abgeschafft werden müssen, da waren sich alle anwesenden Parteien bis auf die AfD einig. SPDler Rüger bezeichnete die Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich als "Affentheater". Das ließ Robert Weller von den Freien Wählern so nicht stehen und betätigte den "Bullshit-Buzzer": Mit der Klingel konnten die Politiker als falsch empfundene Aussagen korrigieren. Zahlreiche Rechtsverstöße habe es an den Grenzen gegeben, angemessene Kontrollen seien durchaus nötig, so Weller, der Polizist ist.

Etwas kurz kam in der Diskussion das Thema Digitalisierung, wohl, weil es kein eigener Themenbereich war. Nur in einer Frage ging es um die Urheberrechtsreform, gegen die im März hauptsächlich junge Leute auf die Straße gegangen waren. Dafür zeigten die Jugendlichen auch bei Themen ein breites Wissen, die sie im Alltag kaum betreffen dürften: Ein Junge befand, China und die USA hängten Deutschland im Bereich der erneuerbaren Mobilität ab. Das wiederum löste unter den Kandidaten eine Diskussion über Elektroautos aus, die Vertreter von CSU, FDP und AfD nicht als einzige Option für mehr Umweltschutz gelten lassen wollen. "Ganz ehrlich, China lacht uns gerade aus", konstatierte Benedikt Flexeder (CSU) zum Stichpunkt technischer Fortschritt.

Kritische Fragen an den AfD-Kandidaten

Zum Schluss hatten die Jugendlichen vor allem an Kandidat Birghan noch Fragen. Wie die AfD es mit ihrem Gewissen vereinbaren könne, dass sich Menschen mit eindeutig rechter politischer Ausrichtung in der Partei engagieren, wollte ein Jugendlicher wissen. "Es wird ein gewisses Interesse geweckt bei Leuten, die uns nicht so passen", antwortete Birghan - es sei allerdings nicht leicht, Menschen aus einer Partei auszuschließen.

Einen eindringlichen Aufruf richtete Weller an die Jungwähler: "Geht wählen, nehmt die Wahl ernst, nehmt Europa ernst", sagte er. Dann werde Europa "in eine rosige Zukunft gehen". Eine Blitzumfrage per Handzeichen hatte zuvor ergeben, dass der Großteil der Anwesenden wählen darf. Um die gleich für sich zu gewinnen, informierten Freisinger Jugendorganisationen der Parteien im Anschluss an Informationsständen über ihre Programme.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4441832
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.