Süddeutsche Zeitung

Erfahrene Hebammen helfen:Aus der Not geboren

Lesezeit: 3 min

Am Klinikum Erding gibt es jetzt eine Wochenbettambulanz

Von Regina Bluhme, Erding

Über vier Monate musste die Geburtshilfe am Klinikum Erding wegen akuten Personalmangels geschlossen bleiben. Mitte November 2017 erfolgte der Neustart mit acht Hebammen. Knapp ein Jahr zeigt sich, dass das Team nicht kleiner, sondern sogar größer geworden ist. Aktuell arbeiten am Klinikum zehn selbständige Hebammen. Knapp 500 Geburten wurden seit Januar gezählt. Nach wie vor gibt es aber nicht genügend Hebammen, die im Anschluss zuhause Neugeborene betreuen können. Deswegen wurde kürzlich eine Wochenbettambulanz am Klinikum Erding eingerichtet. Einmal in der Woche steht jungen Müttern und ihren Babys eine erfahrene Hebamme zur Seite.

Es gibt so viele Fragen nach der Geburt. Klappt es mit dem Stillen, wiegt das Kind genug, ist es altersgerecht entwickelt? Für diese und noch so viel mehr Fragen soll nach der Geburt den Müttern eine Hebamme mit Rat und Tat zur Seite stehen. "Die Krankenkassen zahlen für die ersten zehn Tage jeden Tag zwei Besuche, für die ersten zwölf Wochen weitere 16", sagt Dana Tegen, stellvertretende Sprecherin der Hebammen am Klinikum Erding. So weit die Theorie. In der Praxis gibt es im Landkreis einfach zu wenig Hebammen. Für alle, die keine niemand für die häusliche Nachsorge finden, gibt es jetzt die Wochenbettambulanz mit Hebamme Evelin Altenbeck. Sie kommt aus Moosburg im Landkreis Freising und gehörte ursprünglich zu den acht Hebammen, die im November gestartet waren. Im Juli hat sie wieder aufgehört, aus persönlichen Gründen, so Altenbeck. Aber einmal die Woche wird sie nun am Klinikum Erding junge Mütter unterstützen. "Ich schaue mir zum Beispiel an, ob der Nabel des Babys gut verheilt ist, wie viel das Kind zugenommen hat, und wie es der Mutter geht." Hier könne also die komplette Nachsorge erfolgen. "Die Initiative der ambulanten Wochenbettbetreuung gibt es erst seit wenigen Wochen. Wir freuen uns sehr, einer der wenigen Landkreise zu sein, der etwas in der Art anbieten kann", erklärt Dana Tegen.

"Mit der Zahl von knapp 500 Geburten sind wir zufrieden", fügt die stellvertretende Hebammensprecherin hinzu. Es waren schon mal mehr Geburten, aber schließlich müsse die Geburtshilfe nach der Schließung erst wieder anlaufen, so Tegen. Die Mütter stammen größtenteils aus dem Landkreis Erding, "es kommen aber auch Frauen aus München und Ebersberg". Tegen selbst wohnt im Landkreis München, nur zwei der Hebammen kommen aus dem Landkreis Erding, die anderen pendeln aus den Landkreisen Freising, München oder Ebersberg.

Die zehn Hebammen, die in der Geburtshilfe am Klinikum Dienst tun, besitzen laut Tegen alle jahrelange Berufserfahrung an großen Häusern. Warum wählten sie das Klinikum Erding? "Es sind die attraktiven Arbeitsbedingungen", ist Tegen überzeugt. Damit meint sie aber nicht den Verdienst. Aber: "Es ist unheimlich toll, dass wir hier mit einem frischen Team etwas Neues aufbauen können, ich glaube, das hat viele angezogen", sagt Tegen. Und: "Wir sind tatsächlich knallvoll besetzt, immer jemand sofort verfügbar." Jeder der zehn Frauen hat jeweils alleine eine Zwölf-Stunden-Schicht, "es gibt aber auch im Fall der Fälle Unterstützung durch die Kinderkrankenschwestern und an den Anmeldetagen hat eine zusätzliche Kollegin ambulanten Dienst", so Tegen. Auch bei der Gestaltung der Räume durften die Hebammen mitreden. Für die drei Kreißsäle wurden erdige Töne gewählt, es gibt Linoleum statt kalter Fliesen, und zur Ausstattung natürlich alles, was zur modernen Geburt gehör, Gebärbadewanne, oder ein Bett, das sich zur "Gebärlandschaft" umbauen lässt. Außerdem gibt es mehrere Überwachungszimmer.

Dass immer weniger den Beruf der Hebamme ergreifen wollen, hat nach Ansicht von Dana Tegen verschiedene Ursachen. Einer davon sei sicher die Haftpflichtversicherung, die sich mittlerweile auf 7500 Euro im Jahr belaufe. Seit September gibt es für freiberufliche Hebammen vom Bayerischen Staat jährlich 1000 Euro Bonus. Die Prämie kann rückwirkend beantragt werden, Voraussetzung ist, dass mindestens vier Geburten im Jahr betreut wurden. Laut Pressemitteilung der Bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml wurden bislang 75 Anträge gestellt. Auch Evelin Altenbeck hat einen eingereicht. Grundsätzlich findet sie den Bonus gut, "aber er bekämpft nicht die Ursachen".

Für die Wochenbettambulanz ist eine Anmeldung am Klinikum Erding, Bajuwarenstraße 5, erforderlich unter der Telefonnummer 08122/595770 (Kreißsaal). Zur ambulanten Sprechstunde sind der Mutterpass, die Versichertenkarte und das Kinderuntersuchungsheft mitzubringen.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2018
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