Süddeutsche Zeitung

Eching:Ambulanter Pflegedienst vor dem Aus

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Mitte Dezember schließt die KR-Pflege in Eching, die 22 Senioren betreut. Diese suchen nun dringend Ersatz

Von Alexandra Vettori, Eching

Es ist nicht nur ein Traum, der in einer guten Woche endgültig gescheitert ist, es ist auch der Verlust von Sozialkontakten und der Betreuung für 22 alte Menschen aus Eching und Umgebung. Doch am 15. Dezember ist Schluss, dann stellt der Echinger KR-Pflegedienst seinen Betrieb ein. "Es ist eine Katastrophe", sagt Firmeninhaberin Nadine Kühnle, "ich weiß nicht, wohin mit den Leuten, wir kommen jeden Tag und sind oft der einzige Kontakt zur Außenwelt."

Drei solcher ambulanter Pflegedienste gibt es in Eching, damit steht die Gemeinde ohnehin schon komfortabel da. Das ist zum einen der Pflegedienst Bemax, der knapp 90 Menschen in Garching, Ober- und Unterschleißheim und Eching betreut, das ist das Alten- und Service-Zentrum (ASZ), dessen Helfer ausschließlich in Eching 35 Senioren pflegen und 80 Menschen hauswirtschaftlich unterstützen. Und da gibt es seit zwei Jahren den KR-Pflegedienst, den Nadine Kühnel mit Ehemann, Schwester, Mutter und Helfern betrieben hat. Als sie damals den kleinen Familienbetrieb gründete, kam die heute 28-jährige Altenpflegerin aus dem Heimbereich und war ziemlich desillusioniert. "Ich wollte keine Nummer in einem Hamsterrad mehr sein, und ich wollte Menschen helfen", erzählt sie. Heute sieht sie die Sache anders: "Auch die ambulante Pflege ist eine Katastrophe." Was ihr als Geschäftsinhaberin das Genick gebrochen habe, seien zwei Umstände gewesen: Der Personalmangel und die pauschale Bezahlung durch die Krankenkassen. "Das fängt schon damit an, dass sie als privater Pflegedienst benachteiligt werden, die Caritas hat ganz andere Verträge", so Kühnle. Das Hauptproblem ist jedoch, dass die Pauschalen sofort gestoppt werden, wenn die Kunden ins Krankenhaus kommen oder sterben. "Sie stehen dann von einem auf den anderen Tag ohne Bezahlung da, ihr Personal müssen sie aber natürlich trotzdem bezahlen. Wenn zwei bis drei Patienten auf einmal ausfallen, bräuchte man horrende Summen, um die Notfalllöcher zu stopfen", so Kühnle.

Dazu kommen die ohnehin geringen Pflegesätze. Auch Klaus-Dieter Walter, der im Echinger ASZ die mobile Pflege organisiert, kennt das Problem, auch er kämpft mit der chronischen Unterfinanzierung. "Es ist in dieser Altersgruppe nicht unwahrscheinlich, dass jemand stirbt oder ins Krankenhaus kommt, aber da ist kein finanzieller Puffer dafür eingerechnet." Auch Walter sieht die pauschale Bezahlung mobiler Pflege als Problem, abgesehen von dem ausufernden Dokumentationsaufwand, der selbst anfällt, wenn ein Kunde nur einmal die Woche besucht wird." Wie wenig Geld im System der ambulanten Pflege ist, zeigt ein Blick auf die geltenden Pflegesätze. Für die Hilfe beim An- und Auskleiden, bekommt der Dienst 2,81 Euro, für Haare kämmen 1,12 Euro, für die Ganzkörperwäsche 14,05 Euro. "Da stehen sie dann aber mit einem alten Menschen an der Dusche, man kann sich vorstellen, wie viel Geld damit verdient ist", sagt Klaus-Dieter Walter. Denn der Pflegesatz müsse ja nicht nur für die direkten Lohn der Pflegekraft reichen. "Damit müssen sie ein Büro unterhalten, das Personal bezahlen, es fortbilden und auch Urlaub und Krankheit überbrücken", so Walter. Für Nadine Kühnle hat es letztlich nicht mehr gereicht, sie wird jetzt wieder in ein Angestelltenverhältnis zurück kehren. Einen Trost hat sie: Probleme, einen Arbeitsplatz zu finden, dürfte sie im leer gefegten Markt für Altenpfleger nicht haben.

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SZ vom 03.12.2016
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