Süddeutsche Zeitung

Der Wahlabend im Landkreis Freising:Spannend und recht zäh

Lesezeit: 3 min

Im diesmal recht leeren Landratsamt warten die Kandidaten auf die teils sehr schleppend eintrudelnden Ergebnisse

Von Pia Schiffer, Peter Becker,Thilo Schröder, Kerstin Vogel, Henrike Adamsen und Birgit Goormann-Prugger, Freising

Der Freisinger Landrat Helmut Petz (Freie Wähler), seit März 2020 im Amt, konnte sich an diesem Abend entspannt zurücklehnen. Ganz im Gegensatz zu den Direktkandidaten für die Bundestagswahl, die er an diesem Sonntagabend begrüßen konnte. Um kurz vor 18 Uhr hatten mit Sven Ortmann sowie den beiden Direktkandidaten von "Die Partei", Manuel Huber und Daniel Weigelt, die ersten Parteivertreter ihren Weg ins Landratsamt gefunden. Kurz danach trafen Direktkandidat Karl Ecker von den Freien Wählern sowie Nicolas Pano-Graßy von der Linken ein. Erich Irlstorfer (CSU), der sein Bundestags-Direktmandat verteidigen wollte, ließ sich zunächst von einem Mitarbeiter vertreten. Petz formulierte dann auch gleich das Motto des Abends. Es sei eine "unglaublich spannende Wahl", sagte er. Wo sich sonst mit dem Eintreffen der Ergebnisse aus den Gemeinden zunehmend auch Kandidaten und ihre Unterstützer einfinden, um gemeinsam die Auszählung zu verfolgen, herrschte an diesem Wahlabend trotz des spannenden Kopf-an-Kopf-Rennens fast schon gähnende Leere. Wegen der Pandemie war die erlaubte Besucherzahl im Sitzungssaal des Landratsamtes stark beschränkt worden. Einige Kandidaten zogen es daher vor, gleich bei den Wahlfeiern ihrer jeweiligen Parteien zu bleiben.

Sehr ruhig war die Bundestagswahl in der Stadt Freising in den Wahllokalen angelaufen. Zum bundesweiten Trend passend, hatten auch hier die Wähler zu gut 50 Prozent per Briefwahl vorab entschieden. Die erste Prognose nach Schließung der Wahllokale sah die SPD bundesweit vor der CSU. SPD-Direktkandidat Andreas Mehltretter sagte dazu: "Man sieht, wir konnten viele Wähler überzeugen, dass wir ein gutes Programm und einen guten Kanzlerkandidaten haben." Die SPD hatte im Sportheim in Pulling den Ausgang der Wahl beobachtet. Die aktuellen Prognosen von 16,5 Prozent in Bayern nannte Mehltretter knapp eine Stunde nach Schließung der Wahllokale erfreulich. "Bei der SPD ist die Stimmung super. Wir sehen, dass die SPD auf Bundes- und Landesebene richtig gut abgeschnitten hat und so, wie die Hochrechnungen im Moment stehen, vor der Union liegt. Damit geht ganz klar der Regierungsauftrag an die SPD", erklärte er. Und wenn es sich in Freising so stabilisiere, wie es den Anschein habe, "dürfte ich tatsächlich in den Bundestag einziehen, das freut mich natürlich auch für mich persönlich", sagte Mehltretter am Sonntagabend.

Harald Regler, Wahlkampfassistent von CSU-Direktkandidat Irlstorfer, wollte eine Dreiviertelstunde nach Schließung der Wahllokale noch kein Statement zum Bundesergebnis der Union abgeben. "Wir haben unseren Blick auf den Wahlkreis gerichtet", sagte er. Gegen 21.30 Uhr äußerte sich Irlstorfer schließlich: "Ich freue mich natürlich, dass ich zum dritten Mal das Direktmandat bekomme. Noch ist nicht ganz ausgezählt, aber ich hoffe es. Ich bedanke mich bei den Wählerinnen und Wählern, die mir das Vertrauen geschenkt haben." Die Union insgesamt habe sich natürlich ein anderes, höheres Ergebnis vorgestellt.

Die AfD lag gegen 19 Uhr bundesweit bei 10,3 Prozent. Das freute AfD-Direktkandidat Johannes Huber: "Die bisherigen Prognosen versprechen ein gutes bis sehr gutes Ergebnis für die AfD. Wir sind sehr zufrieden, dass wir nun schon zum zweiten Mal in Folge zweistellig zu sein scheinen."

Die Auszählung verlief zäh. Bis 19.30 Uhr waren nur Wahllokale aus den Landkreisen Freising und Neuburg-Schrobenhausen ausgezählt. Aus dem Landkreis Pfaffenhofen, dem dritten im Wahlkreis 214, lagen bis dahin noch keine Zahlen vor.

In Gammelsdorf hatte man die Arbeit schließlich als erstes erledigt. In seiner Heimatgemeinde bekam Erich Irlstorfer 38,2 Prozent der Erststimmen. FW-Kandidat Karl Ecker folgte mit 25,1 Prozent. Bei den Zweitstimmen erhielt die CSU im Ort 39,6 Prozent, die Freien Wähler 15,6 Prozent. Ecker holte schließlich in seiner Heimatgemeinde Au 40,3 Prozent der Erststimmen. Auf Platz zwei folgt Irlstorfer (CSU) mit 25,4 Prozent der Stimmen. Karl Ecker war mit seinem Abschneiden insgesamt zufrieden. Wichtig sei für ihn vor allem gewesen, dass er seine Heimatgemeinde Au mit 40,3 Prozent für sich entscheiden konnte.

Die Grünen hatte sich an diesem Abend im Freisinger "Et Cetera" versammelt. Um kurz vor 20 Uhr war die Stimmung ausgelassen: Was das Abschneiden vom Leon Eckert betraf, war man zu diesem Zeitpunkt noch vorsichtig mit der Einschätzung. "Es könnte nach derzeitigen Prognosen knapp werden für Leon Eckert. Momentan sieht es, aus als könnten 16, 17, vielleicht 18 Kandidaten aus Bayern in den Bundestag ziehen. Leon Eckert ist auf Platz 18. Das wäre natürlich sehr enttäuschend, wenn das nicht klappen würde", analysierte Breu. Die Freisinger Grünen-Stadträtin Susanne-Günther sah das gegen 20.30 Uhr sehr viel positiver: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Leon Eckert in den Bundestag einzieht und das hat er sich auch wirklich verdient." Eckert erschien gegen 20.40 Uhr im Landratsamt. Empfangen wurde er von jubelnden Anhängern. Er sagte: "Es bleibt spannend. Wir werden wohl noch die ganze Nacht wach bleiben. Aber ich habe gehört, dass wir in Freising die stärkste Partei sind, das ist natürlich schon mal ein Riesenerfolg." Bestenfalls gehe es am Montagmorgen früh los nach Berlin. "Das wäre mein größter Wunsch."

Die FDP-Direktkandidatin Eva-Maria Schmidt freute sich währenddessen über ein "sattes Ergebnis, das auf soliden Füßen steht". Bei den Linken zeigte man sich enttäuscht vom bundesweiten Abschneiden der Partei. Als Grund dafür nannte Linke- Kreisrat Albert Schindlbeck die starken Personalisierungen des Wahlkampfs.

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SZ vom 27.09.2021
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