Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Sozialpsychiatrische Dienste: Das Aushängeschild der Caritas

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Seit 25 Jahren helfen die Sozialpsychiatrischen Dienste Menschen in Lebenskrisen und bei Erkrankungen. Etwa 800 Menschen lassen sich jedes Jahr beraten, die Nachfrage ist groß.

Von Gudrun Regelein, Freising

Jeder Dritte in Deutschland ist mindestens einmal in seinem Leben von einer Depression oder Lebenskrise betroffen. Die Zahl sei auf den ersten Blick vielleicht erschreckend, aber sie sei realistisch, sagt Christian Jotter, Leiter der Sozialpsychiatrischen Dienste der Caritas Freising. Dort finden betroffene Menschen eine Vielzahl an Angeboten: Beratungen beispielsweise, Wohnformen, wie die therapeutische Wohngemeinschaft, die Tagesstätten Courage in Freising und in Moosburg - und seit knapp drei Jahren den Krisendienst für akute Notsituationen. Vor 25 Jahren sind die Dienste ins Leben gerufen worden, an diesem Montag wird das Jubiläum gefeiert.

Zu Beginn, vor 25 Jahren, gab es vor allem noch die stationäre Unterbringung, berichtet Jotter. Erst in den Achtzigerjahren ging es dann mit kleinen Beratungsstellen los. "Wir haben zunächst mit einer Psychologin, die eigentlich in Unterschleißheim tätig war, im Hinterzimmer eine stundenweise Beratung angeboten. Damals kamen vielleicht um die zehn Hilfesuchende zu uns." Das habe sich in den Folgejahren stark verändert, das Angebot sei immer mehr gewachsen. Erst wurde eine zweite, danach eine dritte Beraterin eingestellt, dann kam die gerontopsychiatrische Beratung für ältere Menschen dazu, schließlich das betreute Einzelwohnen. Der gesamte ambulante psychiatrische Bereich habe sich in diesen Jahren stark entwickelt, sagt Jotter. So wurde die Tagesstätte als Treffpunkt für psychisch erkrankte Menschen ins Leben gerufen. Nach der Jahrtausendwende schließlich wurde das Arbeitsleben zu einem Thema und das Angebot um die Jobcenterberatung erweitert.

Inzwischen kommen etwa 800 Menschen jährlich, um sich beraten zu lassen, oft auch mehrmals. "Neben dem klassischen Klienten auch viele in akuten Krisen, die ein kurzes, aber intensives Coaching brauchen", berichtet Jotter. Gut 30 Menschen leben im betreuten Wohnen und in den Tagesstätten zählt man zwischen 60 und 80 Besucher, auch hier kommen die meisten über einen längeren Zeitraum hinweg. Daneben gibt es verschiedene Selbsthilfegruppen, Angehörige finden hier ebenfalls eine Anlaufstelle.

Psychische Probleme sind in der Leistungsgesellschaft nicht vorgesehen

In den vergangenen 25 Jahren sei eine psychiatrische Infrastruktur entstanden, sagt Jotter. "Das wird sich aber noch weiterentwickeln, denn Krankheitsbilder werden immer differenzierter betrachtet." In einer Leistungsgesellschaft, die auf Funktion programmiert ist, sei es dennoch nach wie vor nicht einfach, sich einzugestehen, dass man unter einer Depression leide oder psychische Probleme habe. "Noch immer ist das schambesetzt." Gleichzeitig sei die Akzeptanz in der Gesellschaft größer geworden, "eine psychische Belastung ist definitiv keine Ausnahmeerscheinung mehr, das kann jeden treffen."

Die Beratung der Caritas bilde eine Anlaufstelle für psychisch erkrankte Menschen im Landkreis - sie sei die bekannteste und die älteste. "Das ist unser Aushängeschild." Der Bedarf sei sehr hoch, die Wartezeit für einen Termin betrage derzeit zwei bis drei Wochen. Als Konsequenz müssten sogar die Hausbesuche und Gruppenangebote eingeschränkt werden, da es nicht ausreichend zeitliche Ressourcen gebe.

Die sozialpsychiatrischen Dienste bräuchten dringend mehr als die derzeit 25 Mitarbeiter, müssten wachsen. Ein anderer Wunsch von Jotter wäre eine kostendeckende Finanzierung des Angebots. Derzeit müsse viel mit Eigenmitteln und Spenden abgedeckt werden. Die Beratung traumatisierter Flüchtlinge beispielsweise, die er für sehr wichtig hält, werde vollständig durch die Caritas finanziert. Zehn Stunden könne die Caritas derzeit wöchentlich anbieten, aber auch das würde Jotter noch gerne ausbauen. Der Bedarf wäre da. "Wir aber sind an unseren Grenzen der Leistbarkeit angelangt."

Das Jubiläum werde die Caritas dennoch in "Dankbarkeit und Freude" feiern. "Wir konnten in den vergangenen 25 Jahren vielen Menschen helfen", sagt Jotter, "und freuen uns auf die kommenden 25 Jahre."

Alle Interessierten sind an diesem Montag, 14. Oktober, um 18 Uhr im Marstall des Landratamtes Freising zu dem Fachvortrag "Bin ich gut genug" von Claudia Croos-Müller geladen. Die Fachärztin und Buchautorin wird über das Thema Gesundheit in der Arbeitswelt sprechen.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2019
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