Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl im Landkreis Freising:Mit 26 Jahren das Ziel Berlin vor Augen

Lesezeit: 3 min

Leon Eckert, Direktkandidat der Grünen im Landkreis Freising, hat gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen.

Von Henrike Adamsen, Eching

Nach den vielen Wahlkampfterminen mit Gründerinnen, Feuerwehrleuten, Wirtinnen und Bauern, sprudelt Leon Eckert über vor neuen Eindrücken. Auf drei Radtouren durch Freising, Pfaffenhofen und Schrobenhausen habe er sich die unterschiedlichen Lebensrealitäten in den Gemeinden selbst anschauen wollen. Bescheid zu wissen, über die lokalen Strukturen, die Entfernung zum Supermarkt oder zur nächsten Haltestelle, ist dem Kommunalpolitiker wichtig. Häufig begegne ihm "ein verstricktes Knäuel an Interessen", das es erst mal zu durchdringen gelte, erzählt Eckert.

Auch an dem Tag, an dem das Gespräch mit der SZ stattfindet, liegen bereits drei Termine hinter dem Direktkandidaten. Ein Besuch beim Start-Up Prohops, im Weihenstephaner Bräustüberl und bei den Aktivisten von "Fridays for Future" und der Klimamahnwache. Schnell tippt er seinen Social-Media-Post zu Ende, bevor er sich die Zeit für das Interview nimmt. Es ist noch ein lauer Spätsommerabend, am Tisch herrscht Grünen-Stammtisch-Atmosphäre. Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, sitzt dabei, er hatte den Kandidaten den Tag über begleitet.

Zwei Themen hat sich Eckert im Wahlkampf zu eigen gemacht. Im Katastrophenschutz, dessen Bedeutung die Hochwasserkatastrophe Mitte Juli aufgezeigt hat, will der Kommunalpolitiker einen Strategiewechsel einleiten. Warnkonzepte müssten neu erdacht, Risikoanalysen durch die Gemeinden umgesetzt werden. Eine gesellschaftliche Debatte darüber sei notwendig, wie sich Deutschland auf kommende Umweltkatastrophen vorbereiten wolle. "Ich will da dran beiden", nimmt Leon Eckert sich vor. Katastrophenschutz durch ehrenamtliche Organisationen sind dem 26-Jährigen auch ein persönliches Anliegen. Seit fünf Jahren ist er bei der Freiwilligen Feuerwehr in Eching aktiv und nimmt an Einsätzen teil, zuletzt als Straßen für die Fahrraddemo gegen die IAA gesperrt wurden.

Seriös im weißen Hemd

Wenn nicht in der Feuerwehrkluft oder im Grünen-T-Shirt, sieht man Eckert in diesem Wahlkampf oft im weißen Hemd. Man hat den Eindruck, es handele sich damit um seine Strategie, Einwänden zu begegnen, er sei womöglich noch zu jung und unerfahren für das Mandat des Bundestagsabgeordneten. Ansonsten spricht er lieber über Themen als über sich selbst, erzählt lieber von dem Positionspapier zum Katastrophenschutz in Bayern, bei dem er mitgewirkt hat, als von seinen Erwartungen an das anstehende Bundestagsmandat.

Den zweiten Themenschwerpunkt verbildlicht Eckerts Fahrradwahlkampf: Es geht um Auto-unabhängige Mobilität im ländlichen Raum. Er fordert mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr, weniger für den Straßenbau, und Ride-Pooling Projekte zu testen, wie es in Scheyern bereits umgesetzt wird. Hier baut der Grünen-Politiker auch Mal einen Seitenhieb gegen seinen CSU-Konkurrenten ein. "Unsere bisherigen Abgeordneten haben zu solchen Projekten keinen Bezug. Die kämpfen lieber für die Umgehungsstraße, und so finden diese neuen Ideen keinen Weg nach Berlin."

Dritter Bürgermeister in Eching

Für den 26-Jährigen ist es die erste Bundestagskandidatur. Mitglied bei den Grünen ist er seit dem Jahr 2011, davor engagierte er sich bei der Grünen Jugend. Fukushima und der Bürgerentscheid über die dritte Startbahn am Münchner Flughafen entzündeten sein politisches Interesse. 2013 gründete Eckert in Eching gemeinsam mit Axel Reiß und Florian Stang einen eigenen Ortsverband in seiner Heimatgemeinde. Die Motivation: "Weiter Politik erleben, aber nicht immer so weit fahren." Im folgenden Jahr gingen daraufhin zwei Sitze im Gemeinderat an die Grünen. Einen übernahm Leon Eckert. Mittlerweile hat er auch das Amt des Dritten Bürgermeisters in Eching übernommen und ist Mitglied im Kreistag.

Aktuell arbeitet er als Kommunalreferent bei GRIBS, einer Vernetzungsplattform für Grüne und Alternative Kommunalpolitiker und -politikerinnen. Auf seine Bachelorabschlüsse in Betriebswirtschaft und Geschichte folgt nun ein BWL-Masterstudium in München, bei dem Eckert während seiner Kandidatur aus Zeitgründen eine Pause einlegt. Über das Studium hinaus machte er sich als Mitgründer des Start-Up "Kleider machen Bräute" selbständig. Als Leon Eckert sich zwischen seiner Gründeraktivität und seinem politischen Engagement entscheiden musste, entschloss er sich, seine Anteile zu verkaufen.

Mit Listenplatz 18 könnte es klappen

Gab es auch entmutigende Momente im Wahlkampf? "Wenn Autofahrer noch einmal extra Gas geben, wenn sie am Grünen-Straßenstand vorbeikommen, dann denke ich schon: Da liegt noch viel Arbeit vor uns." Dazu böse E-Mails, auch von Leuten, die eigentlich das Gleiche fordern wie der Grünen-Kandidat - mehr Fahrradwege. Das bremse aus. Nun geht es am 26. September für Leon Eckert wohl nach Berlin in den Deutschen Bundestag. Mit Landeslistenplatz 18 sieht es laut derzeitigen Prognosen gut für ihn aus. Ludwig Hartmann hofft auf mehr als 20 Prozent der Stimmen für die Grünen in Bayern. "Das Thema Klimaschutz motiviert die Leute", sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag.

Leon Eckert rät er, sich ein gutes Team zusammenzustellen, wenn es nach Berlin geht. Ob er da schon wen konkret im Kopf habe? Da winkt der Grünen-Kandidat ab. Denn sich ganz auf den Einzug in den Bundestag festlegen, will der 26-Jährige noch nicht. "Aber ich geh da ganz realistisch dran: Wenn wir so weiter ackern, wird das schon klappen." Eine Wohnung in Berlin wird er sich nicht suchen, das hat er schon entschieden - sein Lebensmittelpunkt soll auch weiter in der Gemeinde Eching bleiben.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2021
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