Süddeutsche Zeitung

Forstenried:Mehr Glanz in die gute Stube

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Die zweite und letzte Bürger-Werkstatt zur Verbesserung des alten Dorfkerns fördert zahlreiche Ideen zutage. Vieles ist wünschenswert, aber nicht alles wird machbar sein. Hauptthema ist vor allem der Verkehr

Von Jürgen Wolfram, Forstenried

Im alten Dorfkern ihres Viertels wieder Gemütlichkeit einkehren zu lassen und den als höllisch empfundenen Kfz-Verkehr zurückzudrängen, ist vielen Menschen in Forstenried ein ernstes Anliegen. Dies zeigte sich bei einer Bürger-Werkstatt, deren zweiter und letzter Teil am Samstag im Pfarrsaal an der Forstenrieder Allee abgehalten wurde. Auf der Basis von Anregungen und Ideen aus der Bürgerschaft präsentierte die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin Andrea Gebhard zunächst einige Überlegungen, wie die gute Stube des Stadtteils wohnlicher gestaltet werden könnte.

Primär anzusetzen sei bei der Mobilität, sagte Gebhard und schlug zur Entschleunigung eine Herabstufung der Forstenrieder Allee zur Ortsstraße vor, auf der Tempo 20 gelten sollte und alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sein müssten. Solche Regelungen seien keine "völlige Utopie", denn Münchens Zukunft liege sicher nicht im "schnellen Autoverkehr". In Starnberg etwa funktioniere eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 Stundenkilometer bereits.

Darüber, wie die historische Mitte in Forstenried, hier die alte Pfarrkirche Heilig Kreuz mit der Pfarrei und dem Forstamt, noch attraktiver gestaltet werden könnte...

... haben sich Bürger...

... und Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard in einer Werkstatt Gedanken gemacht.

Ähnlich wie die Landschaftsarchitektin skizzierte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Ludwig Weidinger (CSU) ein Bild von Forstenried, das bemerkenswerte "Stärken" aufweise. Die Heilig-Kreuz-Kirche mit ihrer lebendigen Gemeinde, das bayerische Wirtshaus "Alter Wirt" plus Maibaum sowie ein funktionierendes Vereinsleben nannte Weidinger als Beispiele, die man anderswo bereits vergebens suche. Ein dörfliches Idyll könnte die Gegend zwischen Stäblistraße und dem weiteren Kreuzungsbereich Forstenrieder Allee/Herterichstraße/Liesl-Karlstadt-Straße sein, wenn nicht eine Verkehrslawine das heimelige Flair permanent überrollen würde. Weidinger versprach, dass sich der Bezirksausschuss noch intensiv mit der Thematik befassen und dem Planungsreferat Verbesserungsvorschläge unterbreiten werde. Die öffentliche Diskussion gehe weiter, auch online.

In Sachen Verkehr grundsätzlich umzudenken, wie Andrea Gebhard der Politik eindringlich empfahl, dazu sind viele Leute in Forstenried durchaus bereit. Doch bei nicht wenigen Vorschlägen, die beim Workshop diskutiert wurden, schwangen Zweifel an der Realisierbarkeit gleich mit. Eine Versetzung des Neurieder Kreisels zur Verlagerung des von der Garmischer Autobahn kommenden Verkehrs, weitreichende Einbahnregelungen, ein Linksabbiegeverbot für Kraftfahrer aus dem Westen an der großen Kreuzung sowie eine damit verbundene Steuerung des Verkehrs via Drygalski-Allee und Boschetsrieder Straße, ferner ein massiver Ausbau der Fuß- und Radwege - solche Ideen stoßen rasch an Grenzen, seien es solche des privaten Grundeigentums, seien es Limitierungen durch die überörtliche Verkehrslenkung.

Für einen Fuß- und Radweg auf der Trasse des einst geplanten Stäbli-Durchstichs immerhin sah der BA-Vorsitzende Weidinger durchaus Chancen, "weil die Stadt dahinter ist". Ob "Alternativen zur Liesl-Karlstadt-Straße", wie möglicherweise die Sperlstraße, von den Verkehrsteilnehmern angenommen würden, müsse sich weisen. Es mit "optischer Umgestaltung" zu versuchen, die "den Anreiz mindert, durch Forstenried zu brettern", empfahl unter Zustimmung Lokalpolitiker Peter Sopp (Grüne).

Gern folgten die Workshop-Teilnehmer auch dem Appell Andrea Gebhards, die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Forstenrieder Dorfkern mit seinen historischen Gebäuden zum städtischen "Modellprojekt" zu erheben. Mutige Schritte in diese Richtung seien aus dem Verkehrskonzept der Stadt für den Münchner Süden leider nicht herauszulesen, beklagte Ludwig Weidinger, "dieses Gutachten zeigt keine Lösung auf".

Auf zielführende Aussagen aber wollen die Lokalpolitiker nicht verzichten. Auch wenn man dabei in Zeiträumen von zehn bis zwanzig Jahren denken müsse, es einstweilen also nur um "Zukunftsvisionen" gehe, wie Hannelore Prechtel (SPD) vom Bezirksausschuss anmerkte. Laut Andrea Gebhard helfe vorerst die Klärung der Kernfrage: "Will Forstenried einen reibungslos fließenden Verkehr oder einen attraktiven Ortskern?" Beides zugleich sei vermutlich nicht zu haben.

Jenseits der Mobilität lässt sich Forstenried nach Expertenmeinung an manchen Stellen aufhübschen. Bei entsprechender Willensbildung der Bevölkerung kämen etwa betont grüne Ortsränder mit neuen Fußwegen und einem Wasserspielplatz oder auch alternative Pflasterungen der Verkehrsflächen in Betracht. "Und bei der Nachverdichtung ist auf eine ansprechende Architektur zu achten", riet Andrea Gebhard, die selbst aus dem benachbarten Fürstenried stammt. Dort sei bei Weitem nicht so viel Identität spürbar wie in Forstenried, "einem der schönsten Stadtteile Münchens", sagte sie. Diesen aufzuwerten, sei aller Mühen wert.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2021
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