Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Bürgerentscheid zur Startbahn wird wahrscheinlicher

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Ministerpräsident Seehofer und die Wirtschaft nähern sich bei ihrem Streitthema an. Es wird auch schon über einen Zeitplan nachgedacht.

Von Christian Krügel

Zwischen Horst Seehofer und die bayerische Wirtschaft, namentlich deren Vereinigung VBW, passt für gewöhnlich kein Blatt Papier. Selten wurde das so deutlich wie am Montagabend, als der Verband 400 Gäste und die Staatsregierung zur "Nacht der bayerischen Wirtschaft" nach Ismaning eingeladen hatte.

Fast 20 Minuten lang sang dort VBW-Präsident Alfred Gaffal das hohe Lied auf die Staatsregierung, lobte den Ministerpräsidenten für dessen Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik genauso, wie für dessen Sturheit gegenüber Berlin etwa bei der Erbschaftssteuer und sogar auch noch für die Reise zu Putin. So uneingeschränkt kam Gaffals Lob, dass Seehofer danach süffisant feststellte, seine Staatskanzlei hätte das nicht besser formulieren können.

Nur bei einem Thema gab es bislang Dissens: der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Die VBW und viele Unternehmen fordern vehement und ohne Verzögerung deren Bau und wissen sich damit im Einklang mit weiten Teilen der CSU-Landtagsfraktion. Horst Seehofer dagegen wartet und wägt ab, sucht das Gespräch mit den Anliegern genauso wie mit Münchens OB Dieter Reiter (SPD) - wohl wissend, dass die Piste nur gebaut werden kann, wenn sich die Stadt München nicht mehr an den negativen Bürgerentscheid von 2012 gebunden fühlt.

Eine weitere Abstimmung der Münchner über das Projekt ist für Seehofer deshalb durchaus denkbar. Nicht aber für den wirtschaftspolitischen Flügel der CSU, allen voran Ex-Parteichef Erwin Huber: Der hatte seinem Nachfolger sogar mit Verfassungsklage gedroht, sollte er diesen Weg gehen.

Doch offenbar bröckelt der Widerstand der Wirtschaftslobby ein wenig. Zwar appellierte VBW-Präsident Alfred Gaffal noch einmal vehement an Seehofer ("Der Bau darf auf keinen Fall scheitern"). Zugleich aber baute er dem Ministerpräsidenten eine Brücke: Sollte es zu einem zweiten Bürgerentscheid kommen, dann werde sich Bayerns Wirtschaft "stark engagieren und mithelfen, die Menschen von der Notwendigkeit des Ausbaus zu überzeugen", so Gaffal. "Besser wäre es allerdings, wir könnten darauf verzichten, denn das Risiko ist groß."

Das Signal ist deutlich: Die VBW folgt Seehofer notfalls auch auf diesem Weg und verspricht, was dieser gefordert hatte. Wenn Bayerns Unternehmen die Startbahn unbedingt wollten, sollten sie auch dafür werben. Denn das Scheitern des ersten Bürgerentscheids lastet Seehofer auch den Münchner Großunternehmen an, die sich damals im Wahlkampf vornehm zurückgehalten hätten.

Das ist offenbar in der Wirtschaft angekommen: Vor Kurzem erst hatte der Dax-Konzern Allianz seine Unterstützung für das Startbahn-Bündnis zugesagt, Gaffals Ankündigung kann als Zusage gewertet werden, eine Pro-Startbahn-Kampagne mit viel Geld zu fördern. Seehofers innerparteiliche Kontrahenten dürfte das freilich nicht zufriedenstellen.

Am Tag nach Gaffals Ankündigung heißt es aus deren Reihen, die Gefahr sei zu groß, erneut am Bürgervotum zu scheitern. Es reiche nicht, wenn sich die VBW hinstelle, es müssten schon die wirklich großen Namen in den Ring steigen, die Vorstände von BMW und Siemens etwa.

Im Seehofer-Lager wird trotzdem ziemlich detailliert überlegt, wie der Zeitplan aussehen könnte. Für die Jahre 2016 und 2017 müsse der Flughafen noch einmal deutlich steigende Zahlen der Flugbewegungen vorlegen. Dann könnte man OB Reiter wohl dazu bewegen, noch einmal einen Entscheid zu initiieren. Der sollte aber nicht im Umfeld oder zeitgleich mit der Bundestagswahl 2017 und deutlich vor der Landtagswahl 2018 stattfinden, um die beiden Wahlen nicht von dem Thema überlagern zu lassen. Bliebe also das Frühjahr 2018 als Termin - genügend Zeit also, um viel Geld und noch ein paar Dax-Konzerne als Unterstützer einzusammeln.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2016
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