Süddeutsche Zeitung

Schwimmkurse für Flüchtlinge:Lebensgefahr im Badeweiher

Lesezeit: 2 min

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Es sollte ein lustiger Nachmittag am Baggerweiher werden, doch für einen 23 Jahre alten Mann aus Eritrea endete der Badeausflug nach Emmering bei Fürstenfeldbruck tödlich. Am frühen Sonntagabend waren der Asylbewerber, der zusammen mit 800 Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck lebte, mit einem Begleiter in den nur 17 Grad warmen Emmeringer See gesprungen, um zu einer Badeinsel zu schwimmen.

Auf halbem Weg kehrte der 23-Jährige plötzlich um und ertrank. Der Notarzt konnte den jungen Eritreer nur kurz wiederbeleben, aber das Leben des Flüchtlings nicht retten.

Ein Badeunfall eines Asylbewerbers - Rettungskräfte befürchten, dass sie in diesem Sommer häufiger zu einem solchen Einsatz gerufen wird. Denn viele Flüchtlinge, die nach Bayern kommen, können nicht schwimmen oder unterschätzten die Gefahren der hiesigen Seen.

"Es fehlt am Können, aber es fehlt auch an der Aufklärung", sagt Christian Nagel. Er ist Einsatzleiter Wasserrettung und koordinierte den Einsatz in Emmering. Gerade denjenigen, die eine lebensgefährliche Flucht übers Mittelmeer überlebt haben und sich nun an den Badeseen in Gefahr bringen, sollte besonders geholfen werden, sagt Nagel.

Viele überschätzen sich

Das tut zum Beispiel Brigitte Hinz, seit 40 Jahren bei den "Wasserratten" des Sportvereins Fürstenfeldbruck und zwei Jahrzehnte lang Trainerin von Wettkampfschwimmern. Die 68-Jährige gibt jungen Asylbewerbern Schwimmunterricht, mittlerweile leitet sie ihren zweiten Kurs für Asylbewerber in Fürstenfeldbruck.

Ihr ist aufgefallen, dass sich einige völlig überschätzen: "Manche behaupten einfach, schwimmen zu können, können es aber gar nicht." Nach dem zehnwöchigen Kurs für eine Gruppe von zwölf Asylbewerbern, die in Fürstenfeldbruck auf die Berufsschule gehen, blieben immerhin sieben bis zum Schluss und konnten dann auch "gut bis sehr gut schwimmen".

Dabei ist Hinz zwar das Lernziel wichtig, aber eben auch die sinnvolle Freizeitgestaltung für die Jugendlichen: "Was auch immer sie für ein Trauma der Flucht haben, im Schwimmbad können sie beim Spielen total abschalten." Vergleichbare Angebote für Asylbewerber gibt es inzwischen auch in anderen Landkreisen.

Viele junge Deutsche können nicht schwimmen

Schwimmunterricht hätten freilich nicht nur viele Asylbewerber notwendig. 2014 zählte die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) deutschlandweit 392 Tote beim Schwimmen, in Bayern 79. Auch wenn das die niedrigste Zahl seit Jahren ist (1970 waren es noch 1100 Tote), so täuscht es nicht darüber hinweg, dass die Zahl junger Menschen, die nicht schwimmen können, zunimmt.

Beobachtet hat dies auch Horst Staimer, Vorsitzender der auf Jugendsportförderung ausgerichteten Dr.-Ludwig-Koch-Stiftung. Er begrüßt es deshalb, dass die Stadt München heuer ein Programm zur Schwimmausbildung für Kinder und Jugendliche vorbereiten möchte.

Die besten Ideen helfen aber nichts, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen. So auch in Fürstenfeldbruck: Bis vergangene Woche hat Brigitte Hinz minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen das Schwimmen beigebracht. Jetzt ist damit aber schon Schluss. Das Hallenbad wird drei Monate lang saniert, der Unterricht fällt aus.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2015
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