Süddeutsche Zeitung

Finanzen:München hat so wenig Schulden wie seit 1980 nicht mehr

Lesezeit: 3 min

Von Dominik Hutter, München

Es könnte ganz einfach sein: Jeder Münchner zahlt 445 Euro, und schon hat die Stadt bei den Banken keine Verpflichtungen mehr. So hoch liegt voraussichtlich zum Jahresende die Pro-Kopf-Verschuldung des städtischen Haushaltes - eine Summe, bei der die Kämmerer anderer deutscher Kommunen wahre Freudensprünge vollführen würden.

Auch für Ernst Wolowicz, den scheidenden Hüter der Münchner Finanzen, ist diese Zahl ein Grund zum Feiern: So niedrig war Münchens Schuldenstand seit 1980 nicht mehr. Noch vor 13 Jahren hätte jeder Münchner mehr als 2600 Euro überweisen müssen, um die Stadt von allen Krediten zu befreien. Damals, 2005, hatte München mehr als 3,4 Milliarden Euro Schulden. Inzwischen sind es noch 680 Millionen. Voraussichtlich. Ganz genau weiß man das erst zum Jahresende.

Es läuft gut mit den Münchner Finanzen, Wolowicz kann Ende dieses Monats entspannt in den Ruhestand gehen. Sein letztes großes Werk im Rathaus, der Nachtragshaushalt für 2018, kann deutlich bessere Zahlen vorweisen als prognostiziert - und schon der ursprüngliche Ansatz fürs laufende Jahr war ziemlich gut. Bei der Gewerbesteuer, der wichtigsten Einnahmequelle der Stadt, steht nach der Delle von 2017 ein neuer Rekord an: 2,69 Milliarden, das sind 11,2 Prozent mehr als zunächst kalkuliert.

"Es ist überraschend, dass es so extrem gut läuft", sagt Wolowicz. Da sind die 44 Millionen, die die Stadt nun zusätzlich an Schulden tilgen will, geradezu ein Mini-Posten. Ursprünglich wollte der Kämmerer in diesem Jahr 44 Millionen Euro tilgen und 44 Millionen neu an Krediten aufnehmen, für den Schuldenstand insgesamt also ein Nullsummenspiel vollziehen. Nun unterbleibt die Kreditaufnahme, es wird nur noch getilgt. "Da kann keine andere deutsche Großstadt mithalten", sagt Wolowicz.

Theoretisch könnte sich die Stadt noch deutlich höhere Rückzahlungen erlauben - auch ohne die Münchner direkt zur Kasse zu bitten. Wolowicz hätte genug auf der hohen Kante, um die gesamte Summe auf einmal zurückzahlen zu können. Nur: Er will gar nicht. Angesichts der niedrigen Zinsen ist der Druck zur Tilgung nicht allzu groß, und oft kostet es sogar Geld, vor dem vereinbarten Termin den Kredit abzulösen.

Für Wolowicz ist es aber vor allem wichtig, Finanzreserven für schlechtere Zeiten vorweisen zu können. Selbst im schlimmsten Fall, etwa wenn wegen einer Wirtschaftskrise die Gewerbesteuereinnahmen einbrechen, hätte München "genügend Geld, um zwei bis drei Jahre ohne neue Schulden über die Runden zu kommen", sagt Wolowicz. Der große Vorteil dieses Polsters: Ein eigenes Guthaben kann die Stadt verwenden, wofür sie will. Also auch, um Haushaltslöcher zu stopfen oder um die Löhne der Mitarbeiter zu bezahlen. Kommunale Kredite dürfen hingegen nur für Investitionen aufgenommen werden.

Vor allem die hohen Gewerbesteuereinnahmen führen dazu, dass der Haushalt der Verwaltung (die sogenannte laufende Verwaltungstätigkeit) ein größeres Plus macht als angenommen: 662 Millionen Überschuss statt der veranschlagten 464 Millionen. Laut Wolowicz sind die Einnahmen um 4,3 Prozent, die Ausgaben aber nur um 1,6 Prozent gestiegen - eine solche Bilanz wünscht sich jeder Haushälter. Macht in absoluten Zahlen: rund 7,3 Milliarden Euro Einnahmen, 6,6 Milliarden Ausgaben.

Mit den Überschüssen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit werden unter anderem die städtischen Investitionen finanziert. Sie kosten 1,38 Milliarden Euro, was ein bisschen weniger ist als im ursprünglichen Haushalt für 2018 veranschlagt. Das liegt nach Auskunft des Kämmerers aber nicht an kurzfristig abgespeckten oder gar eingesparten Projekten, sondern schlicht an Zufällen und Tücken der Buchführung: Zu welchem Zeitpunkt werden Rechnungen bezahlt? Und wie hoch war ein Risikozuschlag angesetzt, der nun nicht ausgeschöpft werden muss? Eigentlich hatte Wolowicz 1,419 Milliarden im Investitionsplan stehen.

Den Haushalt 2019 wird schon Wolowiczs Nachfolger Christoph Frey einbringen. Der bisherige Kämmerer, der seit 2004 im Amt ist, hält sich daher mit Einschätzungen fürs nächste Jahr zurück. Klar sei allerdings: Angesichts des jährlichen Einwohnerzuwachses sei mit stetig ansteigenden Ausgaben zu rechnen. Die offene Frage sei: Steigen die Einnahmen in gleicher Weise an? Der Stadt München stehen in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen ins Haus, vom milliardenschweren Schulbauprogramm über den U-Bahn-Bau und die Gasteig-Sanierung bis zum Neubau des Volkstheaters.

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SZ vom 22.10.2018
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