Süddeutsche Zeitung

Film "Der geheime Garten":Es grünt so grün

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"Der geheime Garten" sieht aus wie ein wild wucherndes Blütenparadies. Die Geschichte eines einsamen Waisenmädchen ist aber sehr viel düsterer.

Von Josef Grübl

Alle Freizeitbotaniker, Schrebergärtner, Rasenheger, Rosenzüchter und Gartenzwergaufsteller müssen jetzt stark sein: Ihre kleinen grünen Refugien mögen ja recht hübsch sein, im Vergleich zu den Gartenanlagen dieses Films wirken sie aber unfassbar mickrig. Denn die Adaption von Frances Hodgson Burnetts Kinderbuch "Der geheime Garten" setzt auf florale Opulenz; das Publikum tritt ein in ein lichtdurchflutetes Paradies, das von dichtem Moos bedeckt ist, in dem Bäume blühen, Rosen ranken, Bächlein plätschern und Vöglein tirilieren. Dazwischen springen ein paar Kinder und ein Zottelhund herum als wäre es der Garten Eden.

Dabei ist die eigentliche Geschichte recht düster: Die zehnjährige Mary (Dixie Egerickx) lebt in der britischen Kolonie Indien, doch nach dem Choleratod ihrer Eltern wird sie zum Onkel (Colin Firth) nach Yorkshire geschickt. Der Zweite Weltkrieg ist gerade erst vorbei, trotzdem mangelt es an nichts. Zumindest nicht an materiellen Dingen, Mary bezieht ein eigenes Zimmer in einem hübsch heruntergekommenen Schloss, sie bekommt Kleider und genug zu essen. Nur Herzenswärme kriegt sie keine, die Haushälterin (Julie Walters) ist streng, der Onkel gefühlskalt. Also streift sie herum und entdeckt den titelgebenden Garten. Dieser wurde angeblich seit Jahren nicht mehr betreten und entfaltet eine magische Wirkung - zunächst auf Mary, später auch auf die anderen.

Das Buch aus dem Jahr 1911 wurde schon öfter verfilmt, zuletzt 1993. Der britische TV-Regisseur Marc Munden kann sich aber nicht recht entscheiden, was er erzählen will: Sein Film kommt wie eine Mischung aus Waisenkinddrama und Fantasyabenteuer mit Blumen daher. Auf die ganze Blütenpracht angesprochen, sagte Julie Walters im Interview: "Was Sie auf der Leinwand sehen, war eine Mischung aus mehreren Gärten. Außerdem wurde es hinterher noch mit dem Computer bearbeitet." Zumindest für Hobbygärtner dürfte das ein kleiner Trost sein.

Der geheime Garten , Regie: Marc Munden

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Quelle:
SZ vom 14.10.2020
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