Süddeutsche Zeitung

Urteil des Amtsgerichts Erding:Gefährliche Designertasche

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Kann ein Mode-Accessoire eine Waffe sein? Eine Frau aus Grünwald ist mit einem McQueen-Täschchen mit Schlagringgriff am Zoll gestoppt und wegen Waffenbesitzes angeklagt worden. Was der Richter dazu sagt.

Florian Tempel

Was wäre wohl passiert, wenn das Amtsgericht Erding anders entschieden hätte? Die Polizei hätte wohl umgehend zu Razzien in einschlägigen Boutiquen ausrücken müssen. Um einem bislang völlig unbeachteten, aber seit Jahren weltweit organisierten Waffenhandel ein Ende zu setzen. Bevor womöglich auch noch Hells Angels und Bandidos auf die Idee gekommen wären, sich eine "Knuckle Duster Clutch" zuzulegen, eine Handtasche mit Schlagringgriff.

Doch das Amtsgericht Erding hat Rechtssicherheit geschaffen. Richter Stefan Priller sprach die 29-jährige Taschenträgerin Vanessa Wurm aus Grünwald wegen "erwiesener Unschuld" vom Vorwurf des "vorsätzlichen Besitzes und vorsätzlichen Führens einer Waffe" frei. Ihre "Knuckle Duster Clutch" aus vergoldetem Pythonleder mit einem Totenkopf-Schlagringgriff aus Messing, ein Modell des 2010 verstorbenen britischen Modedesigners Alexander McQueen, ist juristisch gesehen eben doch nichts weiter als eine harmlose Handtasche.

Am 8. Oktober vergangenen Jahres war die Besitzerin des Accessoires aus Shanghai kommend nach der Landung am Münchener Flughafen vom Zoll zu einer Gepäckkontrolle gebeten worden. Man hatte ihren Koffer zuvor durchleuchtet und darin ihre ungewöhnliche Handtasche gesichtet. Als Zollbeamte das Täschchen als vermeintlich verbotene Waffe beschlagnahmten, brach Vanessa Wurm in Tränen aus.

2009 hatte sie in der Londoner Nobelboutique Harvey Nichols für das Teil weit über 1000 Euro bezahlt. Schwerer als ein finanzieller Verlust wog für sie jedoch etwas anderes: "Ich war eine der wenigen Glücklichen, die damals dieses Modell erhalten haben." Denn McQueens Handtaschen-Kreationen sind begehrt. Katy Perry hat eine, Emma Stone und Kim Kardashian sowie diverse Freundinnen der in Erding angeklagten Grünwalderin.

Prominente als Entlastungszeugen

Dass ein so beliebtes Accessoire verboten und mordsgefährlich sein soll, könne ja wohl niemand ahnen, beklagten auch die Verteidiger Andreas Geipel und Hansjoachim Gaub im Prozess.

Noch bevor die Anwälte richtig loslegen konnten und die oben genannten Prominenten als Entlastungszeugen laden wollten, klärte ein Waffenexperte des Landeskriminalamtes die Lage.

Nicht zuletzt durch Selbstversuche mit typgleichen Handtaschen stehe zweifelsfrei fest, dass sie nicht als Schlagring zu gebrauchen seien. Einem Hieb mit einer solchen Tasche fehle die Power, weil ein wirkungsvoller Schlagring unbedingt eine Abstützung in der Handinnenfläche brauche.

Der Griff sei also keine Waffe, sondern nur Zierrat: "Wenn man damit zuschlägt, tut man sich selbst mindestens so weh wie dem, dem man eine mitgeben möchte."

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Quelle:
SZ vom 23.05.2012
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