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Reden wir über:Bayern 1 ohne Volksmusik

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Dellnhauser Michael Eberwein kritisiert den Bayerischen Rundfunk

Interview von Christian Gschwendtner, Au

Die "Dellnhauser Musikanten" gibt es seit einer halben Ewigkeit, genau genommen seit 1948 und damit länger als den Bayerischen Rundfunk (BR). Trompeter Michael Eberwein leitet die Hallertauer Volksmusikgruppe mittlerweile in zweiter Generation. Seine "Dellnhauser Musikanten" haben nun auch die Volks- und Blasmusiksendungen im Hörfunkprogramm von Bayern 1 überdauert. Das kann Eberwein nicht gefallen. Ab Pfingsten ist Volksmusik im BR-Universum nur noch über die Digitalwelle BR Heimat zu empfangen.

SZ: Herr Eberwein, kaufen Sie sich jetzt ein Digitalradio?

Michael Eberwein: Ich habe schon ein Digitalradio, das ist auch nicht das Problem. Viele ältere Leute besitzen aber kein solches Gerät. Sie haben bald keinen Zugang mehr zu Volksmusik. Das ist problematisch.

Hören Sie privat Volksmusik im Radio? Selbstverständlich. Ich höre regelmäßig die Sendung von 19 bis 20 Uhr auf Bayern 1, vor allem wenn ich im Auto sitze. Mich interessiert natürlich, was die Kollegen so machen. Damit ist ab Pfingsten Schluss.

Verliert Bayern 1 ohne Volksmusik seine bayerische Identität?

Ich finde schon ein Stück weit. Volksmusik gehört fest zur bayerischen Kultur. Ich kann deshalb nicht nachvollziehen, warum sie jetzt aus dem Radioprogramm gestrichen wird. Was die Abteilung Volksmusik bei BR Heimat auf die Füße gestellt hat, ist aller Ehren wert. Aber der Zeitpunkt für einen Wechsel ins Digitale kommt zu früh. Es gibt dafür keine Notwendigkeit und keine gute Begründung. Es heißt ja nicht umsonst Bayerischer Rundfunk.

Laut Programmbereichsleiter Walter Schmich interessiert sich die künftige Zielgruppe von Bayern 1, die 45- bis 55 -Jährigen, aber mehr für Rock- und Softrock.

Das kann ich nicht beurteilen. Wir spielen hauptsächlich auf Volkstanzveranstaltungen. Und da erleben wir gerade eine zweite Blütezeit. Das ist ähnlich wie mit der Tracht. Vor zehn Jahren wurde man noch schief angeschaut, wenn man in Lederhose aus der Tür gegangen ist. Heute ist das ganz anders. Das Traditionsbewusstsein ist wieder größer.

Ist Volksmusik also wieder cool?

Ja, absolut. Wie alt ist das Publikum bei Konzerten der "Dellnhauser Musikanten"? Bunt gemischt. Ich organisiere alle zwei Jahre das Volksmusikfest in Au. Zu dem kommen immer mehr junge Gruppen. Beim Publikum ist das ähnlich: Von zehn bis 80 Jahren ist alles vertreten. Das sind auch nicht unbedingt Leute, die das ganze Jahr nur Volksmusik hören - um Gottes Willen. Aber denen gefällt die Musik. Volksmusik stirbt also nicht aus?

Auf keinen Fall.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2016
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