Süddeutsche Zeitung

Polizei in Erding:Hauchdünne Personaldecke

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Die Polizei in der Flughafenregion leidet an chronischer Unterbesetzung und mangelhafter Ausstattung. Die Gewerkschaft der Polizei prangert die Misstände nun mit drastischen Worten an.

Vinzenz Martlreiter

An der Grundstimmung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ändert sich seit geraumer Zeit nichts: Auch in diesem Jahr prangerten die Redner bei ihrem Treffen im Gasthaus Adlberger in Altenerding die schlechte personelle und materielle Besetzung der Inspektionen in der Flughafenregion an. Für den Doppelhaushalt 2011/2012 sei zwar bisher keine Haushaltsperre im Gespräch. Doch was die Forderung nach mehr Personal angehe, sei er nicht guten Mutes, sagte der Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Ernst Ziegenheim.

"Unsere Probleme sind nicht die geringsten." Mit seiner Begrüßung gab Johann Hohner, Vorsitzender des Kreisgruppe Erding, die Richtung vor. Die Thematik der Unterbesetzung zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. "Damals habe ich mir gedacht, es hätte schlimmer kommen können. Und es kam schlimmer. Heute denke ich mir: Steigerungen sind immer möglich", sagte Hohner im Rückblick.

Die Kreisgruppe Erding vertritt die Interessen der Polizisten in den Landkreisen Erding, Ebersberg und Freising. Trotz starker Veränderungen im Einsatzgebiet durch den Zuwachs der Bevölkerung und aufgrund neuer Verbrechensformen wie Internetkriminalität oder die Auswirkungen des benachbarten Flughafens seien die personell und materiell zur Verfügung stehenden Mittel nicht mitgewachsen, sagte Hohner. Diese Aussage untermauerten auch andere Redner.

Die Direktion Oberbayern-Nord habe neun neue Kollegen erhalten, jedoch seien 19 in den Ruhestand gegangen, sagt Peter Schall, der stellvertretende Landesvorsitzende. Ziegenheim rechnete vor, dass 1989 das bayernweite Verhältnis von Polizisten zu Einwohnern bei 1: 375 lag und 2007 nur noch bei 1:421. Dies bedeute im Endeffekt eine Personalreduzierung, so Ziegenheim. "Wir bräuchten 2000 neue Kollegen, um wieder auf das Niveau von 1989 zu kommen." Alle würden ständig nur von Bildung reden, so Ziegenheim weiter, aber Sicherheit sei eine ebenso wichtige Frage, die nicht vernachlässigt werden dürfe.

Außer der negativen Personallage sprach Schall auch die schlechte materielle Ausrüstung an: Die alten Radargeräte würden nur in dreißig Prozent der Fälle funktionieren. Man müsse doch sehen, dass etwas nicht stimme, wenn die Anzahl der Fälle wegen Geschwindigkeitsübertretung zurückgingen, doch die Anzahl der Todesfälle durch Raserei stiegen. Außerdem könne man hier Geld einnehmen, so Schall weiter: "Jede Firma, die so arbeiten würde, wäre längst pleite."

Bald nur noch eine Seniorentruppe

Ein weiteres Problem kommt laut Schall aufgrund der Überalterung der Mitarbeiter auf die Polizei zu. Man müsse schon jetzt Ausbildungsmaßnahmen treffen, um auf die kommende Pensionierungswelle vorbereitet zu sein und genügend junge Kollegen zu haben, so Schall. Dies unterstrich auch Ziegenheim: "Wenn der Altersdurchschnitt weiter steigt, haben wir bald eine Seniorentruppe", formulierte er drastisch.

Hohner erläuterte auch den Zustand der Gewerkschaft der Polizei: Keine zahlenmäßigen Auswirkungen auf den Mitgliederstand der Kreisgruppe hat es demnach im Jahr 2010 aufgrund von Versetzungen gegeben: Es sind so viele Gewerkschaftsmitglieder her- wie wegversetzt worden. Doch sind laut Hohner elf teilweise langjähriger Mitglieder aus der Gewerkschaft ausgetreten.

Viele Leute dächten oft nicht mehr daran, was Gewerkschaften bisher alles erstritten hätten, sagte Hohner. Sondern sie beschwerten sich über zu hohe Beiträge oder dass die Funktionäre zu wenig täten. Zum Beleg listete Hohner die Aktivitäten der Gewerkschaft in der Region auf. Neben den üblichen Aktionen und Veranstaltungen wie Schafkopfturnieren brachte die Gewerkschaft dieses Jahr auch eine neue Broschüre heraus: Tatort Schule. Sie soll an hiesigen Schulen verteilt werden.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2010
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