Süddeutsche Zeitung

Notquartiere:Kontrollieren und zuhören

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Zwei Mal in der Woche schaut Eric Stauch von der Abteilung Wohnungswesen in den vier Erdinger Obdachlosenunterkünften vorbei. Einige der Bewohner bleiben dort über Jahre.

Von Regina Bluhme, Erding

Die Große Kreisstadt Erding hat in ihren vier Obdachlosenunterkünften inzwischen einiges renoviert und erneuert - was zum Teil auch bitter nötig war. Dort leben Familien und Alleinstehende, die dort vorübergehend eine Bleibe finden. Manche bleiben allerdings über Jahre, wie Eric Stauch vom Wohnungswesen der Stadt Erding am Dienstag im Stadtrat sagte. Zweimal die Woche sieht er mit einer Kollegin nach dem Rechten und mitunter gelangt das Team an Grenzen.

Eric Stauch hatte Grafiken und Bilder in die Sitzung mitgebracht. Eine Übersicht zeigt: In manchem Notquartier leben die Menschen über Jahre, ja sie betrachten die Unterkunft als ein Zuhause. In einer Erdinger Unterkunft lebe eine Person schon seit zwölf Jahren, es sei ihr eine Wohnung angeboten worden, "aber sie wollte nicht". Neun bis zwölf Jahre in einer Obdachlosenunterkunft, "das ist ein Brett", wie es Eric Stauch ausdrückte. Mitunter summierten sich bei den Langzeitbewohnern leider auch die Gebührenrückstände, bis zu 8000 Euro in einem Fall.

Ein Mann hat gegen die Stadt geklagt. Zehn Jahre hatte er in der Unterkunft gelebt

Zweimal in der Woche komme er mit einer Kollegin auf Kontrollbesuch in die Unterkünfte, sagte Eric Stauch. Ziel sei, die Menschen möglichst kurz in den Not-Einrichtungen zu belassen. Nicht jeder zieht da mit, wie Stauch erzählte: Erst kürzlich ist ein Mann gegen die Stadt vor Gericht gezogen, zehn Jahre lang hat er in einer der Notunterkünfte gewohnt.

Zugleich werden Stauch und sein Kollegenteam auch mit psychischen Problemen, mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit konfrontiert. "Manchmal stehen da wir schon vor unseren Grenzen", so Stauch. Wie bei einem Bewohner, der einst einen verantwortungsvollen Job hatte. "Er hatte Hobbys und war in Vereinen aktiv" und jetzt könne man nur mit ansehen, wie dieser Mensch langsam vor die Hunde gehe. Ratlos ist Stauch auch, wie er mit einem weiteren Bewohner umgehen soll, der erst kürzlich wegen versuchten Totschlags aus dem Gefängnis entlassen wurde und bereits wieder auffällig geworden ist.

Abteilungsleiter Stauch klinge wie ein Streetworker, stellt Stadtrat Köppen fest

"Ihre Arbeit hört ich ja an wie die eines Streetworker", sagte im Anschluss Burkhard Köppen (CSU) zum Bericht von Eric Stauch. Da liegt er wohl gar nicht so falsch. Nach Ansicht von Stefan Grabrucker (SPD) wäre eine sozialpädagogische Betreuung für die vier Häuser nötig. Die Stadt arbeite mit der Beratungsstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit der Caritas Erding zusammen, erklärte Stauch. "Wir nehmen nur noch Menschen auf, die zuvor einen Beratungstermin bei der Caritas absolviert haben." Die Zusammenarbeit klappe sehr gut, "das hilft uns sehr". Noch besser wäre es, wenn die Caritas vor Ort in die Unterkünfte gehen könnte, so Stauch. Leider sei das Personal der Caritas bereits mit den Büroberatungen ausgebucht. Vielleicht könne die Stadt gemeinsam mit weiteren Trägern eine gemeinsame Lösung finden, schlug Köppen vor. Den Vorstoß stoppte Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). Die Stadt werde sich nicht über das Bisherige hinaus engagieren.

Es gibt auch Erfolge zu vermelden. Etwa in der Obdachlosenunterkunft Sportfeldstraße 10 bis 18 e. Die Stadt hatte 2017 neben der bestehenden Anlage mit 21 Wohnungen 15 weitere Wohneinheiten, sogenannte Einfachstwohnungen, bauen lassen. In der Unterkunft konnte die Belegung auf 50 Prozent reduziert werden, informierte Stauch. Denn tatsächlich gelinge es immer wieder, Menschen aufgrund von Belegungsrechten einzuquartieren, eine Sozialwohnung zu finden oder sie in eigenen Wohnungen der Stadt unterzubringen. Aktuell wohnen laut Stauch keine ukrainischen Flüchtlinge in den vier Häusern. Doch dies werde sich in den kommenden Jahren ändern.

20 Jahre wurden die Gebühren für die Unterkünfte nicht erhöht. Jetzt ist es soweit

Seit 20 Jahren sind in den Erdinger Unterkünften die Gebühren nicht erhöht worden. Dies wird sich nun ändern. Am Dienstag folgte der Stadtrat der Empfehlung des Verwaltungs- und Finanzausschusses und beschloss einstimmig, die Sätze anzuheben.

Zuvor waren in der Obdachlosenunterkunft Sportfeldstraße 10 bis 18e die Fenster neu gemacht und die Bäder nachgerüstet worden, die Einfachstwohnungen wurden gebaut. Nun soll der Quadratmeterpreis an der Sportfeldstraße auf 6,50 Euro festgelegt werden, die Betriebskostenpauschale auf vier Euro.

In der Unterkunft Am Keller sind die Bäder nachgerüstet und erneuert worden

In der Unterkunft Am Keller 17 mit zehn Wohneinheiten wird eine Einzelunterbringung in einem Zimmer mit rund zehn Quadratmeter künftig 170,49 Euro kosten. Die Unterkunft an der Taufkirchner Straße 24 hat insgesamt sechs Wohneinheiten. Die Bäder sind nachgerüstet und erneuert worden. Künftig wird dort ein Zimmer bei Einzelnutzung zwischen 227,56 und 139,18 Euro kosten.

In der Unterkunft Wartenberger Straße 33 sind laut Stadtverwaltung inzwischen die Holzöfen entfernt worden, alle Zimmer werden mit einer Gaszentralheizung ausgestattet. Vor dem Haus steht nun ein Flüssiggastank. Die Böden sind erneuert worden. Zugleich soll das Gebäude eine Be- und Entlüftungsanlage erhalten, um Schimmel zu vermeiden. Die bisherige Gebühr von 45 Euro lässt sich laut Stauch nicht mehr halten, künftig wird pro Bettplatz 100 Euro verlangt.

"Es ist ein wahnsinnig mühsames Geschäft", sagt die 2. Bürgermeisterin

Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind (FW) dankte dem Wohnungswesen für die Arbeit der vergangenen Jahre, da sei einiges aufgebaut worden, und hier "drückt sich doch eine gewisse Wertschätzung aus". Insgesamt, so Bauernfeind, sei die Arbeit "ein wahnsinnig mühsames Geschäft". Er sei deshalb auch sehr froh, so OB Max Gotz, dass das Personal im Wohnungswesen "außerordentlich stabil ist".

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