Süddeutsche Zeitung

Kindesmisshandlung im Landkreis Erding:"Ich war überrascht, wie wenig überrascht sie waren"

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Im Prozess gegen eine ehemalige Kinderpflegerin, die 2018 ihre damals zweijährige Tochter misshandelt und schwer verletzt haben soll, sagt eine behandelnde Ärztin aus.

Von Alexander Kappen, Landshut/Erding

Seit rund einem Monat geht die Jugendkammer des Landshuter Landgerichts der Frage nach, was im Dezember 2018 in einer Wohnung im Landkreis Erding wirklich vorgefallen ist, als ein damals zweijähriges Mädchen schwer verletzt worden ist. Auf der Anklagebank sitzt die Mutter des Kindes, eine 25-jährige ehemalige Kinderpflegerin. Ihr wirft die Staatsanwaltschaft vor, ihrer Tochter bei einem Streit am 23. Dezember einen harten Gegenstand heftig in den Schambereich gestoßen zu haben, um das Kind "zu bestrafen oder zu disziplinieren", weil es beim Abendessen eingenässt hatte. Das Kind erlitt dabei schwere Verletzungen und musste in der Klinik in München-Schwabing notoperiert werden. Bei der Fortsetzung des Prozesses am Montag wurde eine Kinderärztin als Zeugin vernommen, die seinerzeit in der Klinik Dienst hatte.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Angeklagte der Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der verhandelte Vorfall ereignete sich in der Wohnung des ehemaligen Lebensgefährten der heute 25-Jährigen. Die Angeklagte schilderte den Fall im Laufe des Prozesses jedoch ganz anders. Sie und ihre Familie beschuldigten indirekt den Ex-Freund, der im Prozess die Aussage verweigert hat. Die Angeklagte war erst wenige Tage vor dem Vorfall im Dezember 2018 mit der Tochter bei ihrem damaligen Lebensgefährten eingezogen. Als die Kripo zunächst gegen ihn ermittelte, wurde er von seinem Arbeitgeber entlassen. Dann geriet jedoch die Mutter des Kindes selbst ins Visier der Ermittler und sitzt nun auf der Anklagebank.

Am Abend des 23. Dezember 2018 brachte die Mutter des Mädchens das schwerverletzte Kleinkind zusammen mit ihrem Freund in die Münchener Klinik. Am Montag befragte die Jugendkammer unter Vorsitz von Richterin Michaela Wawerla eine Kinderärztin, die damals in dem Krankenhaus beschäftigt war. Da sie mittlerweile in Zürich arbeitet und nicht persönlich zum Prozess erscheinen konnte, wurde sie per Videoübertragung vernommen.

Man sei damals zu dem Schluss gekommen, "dass die Verletzungen nicht plausibel sind bezüglich des geschilderten Vorgangs", sagte die Ärztin bei der Zeugenbefragung. Deshalb "haben wir beschlossen, den Fall zu melden". Die Rede war seitens der Angeklagten und ihres Lebensgefährten damals offenbar von einem Rollersturz des Kindes. Mit einem solchen, so die Zeugin, seien die Verletzungen aber nicht vereinbar gewesen. Nachdem man den Fall gemeldet hatte, habe man im Beisein der Polizei ein Gespräch mit der Mutter und ihrem Freund geführt und ihnen mitgeteilt, dass man die Behörden eingeschaltet habe. "Ich war überrascht, wie wenig überrascht die Eltern waren, sie waren relativ ruhig und gefasst", so die Ärztin. "Zwischen den Partnern gab es wenig Interaktion und Austausch." Ihrer Erinnerung nach haben sich die beiden bei der Betreuung des Kindes in der Klinik abgewechselt. Der Prozess wird am 16. März fortgesetzt.

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