Süddeutsche Zeitung

Kirchen:Heiliger Bimbam

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Das frühmorgendliche Läuten der Kirchenglocken gefällt nicht jedem, doch im Landkreis Erding haben sich die meisten damit arrangiert

Von Regina Bluhme, Erding

Wer in Altenerding in der Nähe von Mariä Verkündigung wohnt, braucht keinen Wecker. Pünktlich um 6.01 Uhr läuten die Glocken, Tag für Tag, drei Minuten lang. Das gefällt nicht jedem, vor allem nicht am Wochenende, wie der SZ Erding zu Ohren gekommen ist. Kreisdekan Jan-Christoph Vogler, zugleich Pfarrer von Altenerding, sieht die Sache gelassen. Er habe noch von keiner Beschwerde gehört, erklärt er, den Termin will er auf jeden Fall beibehalten. In der Erdinger Innenstadt in St. Johannes beginnen immerhin erst um 7 Uhr die Glocken zu klingen. Klagen von genervten Anwohnern sind dem Pfarrbüro nicht bekannt. Für die meisten Landkreisbewohner gilt wohl, was Pfarrer Philipp Kielbassa aus Oberding (Glockenbeginn: 6 Uhr) sagt: "Die Leute sind einfach dran gewöhnt."

Dekan Jan-Christoph Vogler holt weit aus: "Die Kirchenglocken haben schon immer geläutet, seit es sie gibt", betont er, die ersten wurden in Altenerding geschlagen, da habe es dort noch keine einzige Straße gegeben, fügt er hinzu. Dreimal täglich läutet es bis heute von den Kirchtürmen: morgens, mittags, abends, zum sogenannten Angelus-Gebet. Die Gläubigen sollen damit erinnert werden, "dass Gott für uns Mensch geworden ist". Zugleich ist das dann auch der Moment, das Gebet "Engel des Herrn" zu sprechen. Pfarrer Philipp Kielbassa vom Pfarrverband Erdinger Moos verweist auch auf den "lebenspraktischen Aspekt". Für viele sei früher das Geläute "Richtschnur" für den Tagesablauf gewesen. Der Brauch entstand schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus, informiert das Erzbischöfliche Ordinariat München. Kaiser Karl der Große habe um das Jahr 800 für die flächendeckende Verbreitung der Glocken gesorgt. Wie die Pfarreien mit dem Glockenläuten umgehen, das liege weitgehend in ihrem eigenen Ermessen. Hin und wieder komme es schon zu Einwänden, räumt das Ordinariat ein. Die Behörde rate dann "zum konstruktiven Gespräch mit den Kritikern, in dem sich in der Regel eine Lösung finden lässt".

Mittlerweile ertönen die Glocken mithilfe einer automatischen Schaltung. Fürs Läuten während der Wandlung muss der Mesner oder Ministrant aber auch heute noch in die Sakristei spurten und den Schalter per Hand umlegen.

Geläutet wird auch bei Beerdigungen oder Taufen sowie eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn und dann noch einmal fünf Minuten davor, so hält es Dekan Vogler. Zum einen sollen alle wissen, "dass sie eingeladen sind", zum anderen ist es das Zeichen: Jetzt ist es soweit. Sollte ein Papst sterben, dann werde außertourlich geläutet, und das könne bis zu einer Viertelstunde dauern, erklärt Vogler. Einem weltlichen Oberhaupt werde aber diese Ehre wohl nicht zuteil werden, betont der Kreisdekan.

Ein Gewitterläuten wäre auch möglich, aber das kommt eher in den Bergen zum Einsatz. Pfarrer Kielbassa weiß aus seiner Zeit als Kaplan in einer Gemeinde bei Partenkirchen, dass dort der Mesner bei einer Gewitterfront informiert wird und die Glocken in Bewegung setzt. Ob damit wirklich Unwetter vertrieben werden, darüber wolle er sich kein Urteil anmaßen.

Auch in der evangelischen Gemeinde läuten dreimal am Tag die Glocken, in der Christuskirche im Erdinger Zentrum zum Beispiel um 7, 12 und 19 Uhr. Pfarrer Christoph Keller sind ebenfalls keine Klagen bekannt. Wenn Leute zuziehen, "dann finden sie ja die Kirche mit ihren Glocken schon vor". Ein Morgengeläut um 7 Uhr sei "durchaus zumutbar". Er kenne im Übrigen eine Gemeinde im Landkreis Deggendorf, da läute die Glocke morgens pünktlich um 5 Uhr. Im Pfarrverband Holzland wird um 6 Uhr geläutet, dafür dann für stramme fünf Minuten. "Wir leben hier im Paradies, keiner hat sich bei mir beschwert", sagt Pfarrer Jacek Jamiolkowski. Und das, obwohl in seinem Pfarrverband täglich neben 6 und 11 Uhr auch noch relativ spät um 21 Uhr die Glocken läuten. Die Leute seien eben sehr vertraut mit dem Geläute, "und es ist auch gut anzuhören", ist Pfarrer Jamiolkowski überzeugt.

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SZ vom 23.08.2019
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