Süddeutsche Zeitung

Hemadlenzen in Dorfen:Verschieben statt verzichten

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Der Unsinnige Donnerstag mit dem Hemadlenzenumzug ist in Dorfen ein Feiertag. Robert Haas schlägt vor, die Faschingsveranstaltung später nachzuholen. Ausnahmsweise

Von Thomas Daller, Dorfen

Heute ist Dorfens Nationalfeiertag, den Traditionalisten in der Stadt tut es leid, dass der Hemadlenzenumzug heuer ausfallen muss. Natürlich will niemand unter diesen Umständen am Unsinnigen Donnerstag feiern; in der Pandemie sterben Menschen. Aber muss der Umzug deswegen ausfallen? Sport- und Kulturveranstaltungen werden in den Sommer oder in den Herbst verschoben, warum nicht auch der Hemadlenzenumzug? Dieser Vorschlag kommt von dem Dorfener Grafiker, Satiriker und Buchautor Robert Haas, der ihn in den sozialen Medien gepostet hat. Auch als Zeichen der Hoffnung, dass die Bedrohung durch Corona vielleicht doch noch in diesem Jahr verschwinden werde. Für diesen Vorschlag hat er viel Zustimmung erhalten: "Bin dabei" haben viele Dorfener gepostet und "coole Idee".

Der archaische Brauch, mit diesem Umzug und dem Verbrennen der Lenzen-Strohpuppe den Winter auszutreiben, ist für alte Dorfener eine innere Pflicht. Nur einmal ist er in den vergangenen Jahrzehnten ausgefallen, 1991, als man ihn wegen des Golf-Kriegs abgesagt hatte. 30 Jahre später muss er nun wieder ausfallen, coronabedingt.

Öffentlich hat niemand den Sinn dieses Verbots angezweifelt, aber manche stellen die Frage, wie man damit umgeht. So formiert sich beispielsweise gerade eine Gruppe, die sich online zum Weißwurst-Frühstück beim Hemadlenzen-Skype treffen will. Andere hatten vor, am Unsinnigen Donnerstag im Hemadlenzen-Nachtgewand in Dorfen zum Einkaufen zu gehen oder sich so verkleidet eine Breze beim Bäcker zu holen, als Reminiszenz sozusagen. Doch das ist polizeilich untersagt und kann als Ordnungswidrigkeit mit bis zu 250 Euro bestraft werden. Damit soll verhindert werden, dass es nicht doch zu spontanen Gruppenbildungen kommt, die die Infektionsschutzvorkehrungen unterlaufen. In der mehrere Tausend Mitglieder zählenden Facebook-Gruppe Dorfen hat das jedoch für Unmut gesorgt: "Seit wann gibt es für Spaziergänger einen Dresscode", war die weit verbreitete Meinung. Der Dorfener Kabarettist Alfred Mittermeier nahm es hingegen mit Humor: "250 Euro. So billig war der Tag noch nie! Des passt!", schrieb er in den Gruppen-Chat.

Für Furore sorgte in dieser etwas aufgeheizten Stimmung Robert Haas mit einem rasch gestalteten Plakatmotiv aus einer Szene vom Umzug mit dem Schriftzug "Verschoben auf Sommer/Herbst" und einem entsprechenden Vorschlag: Falls die Infektionszahlen bis dahin, auch durch die Impfungen, so verschwindend gering seien, dass ein Umzug keine Gefahr darstelle, könne man ihn doch nachholen. Ähnlich wie die Münchner Schäffler nach Beendigung der Pest mit ihrem Tanz die Bürger wieder aus ihren Häusern geholt hatten.

Haas ist kein Hasardeur, im Gespräch mit der SZ betonte er, dass Dorfen dann coronafrei sein müsse und man die Veranstaltung auch nicht überregional ankündigen werde. Er gehe auch nicht davon aus, dass man wie sonst die Innenstadt dafür sperren könne. Aber ein Umzug auf dem Radweg bis zum Tonwerk, wo man anschließend unter freiem Himmel feiern könne, wäre unter den genannten Bedingungen machbar: "Nach den Regeln, die erlaubt sind." Haas gilt in Dorfen nicht als Dampfplauderer, ganz im Gegenteil. Er hat in Dorfen bereits das viel beachtete satirische Magazin Cfx (ausgesprochen: zefix) herausgegeben und einen satirischen Reiseführer über Dorfen geschrieben, der in der Kleinstadt zum Verkaufsschlager avanciert ist. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, realisiert er das auch und findet dabei immer Mitstreiter, die für so eine Gaudi zu haben sind. Vor allem in Dorfen, der Stadt, über die man sagt, sie sei kein Ort, sondern ein Zustand.

Ein Hemadlenzenumzug im Spätsommer oder Frühherbst könnte eine einmalige Veranstaltung werden, meint Haas: "Eine Mischung aus Karneval in Rio und dem Burning Man-Festival", allerdings ein paar Nummern kleiner. Mit den beiden etablierten Gruppen, der Dorfener Karnevalsgesellschaft und den Dorfener Faschingsdeifen, habe er noch nicht darüber gesprochen, so Haas. Dafür sei es noch zu früh. Aber es wäre schön, wenn sie sich mit Musik und Tanz daran beteiligen würden, sagt er: "Das sind ja auch lauter alte Hemadlenzen."

Nur eines bereitet ihm noch Sorge, und das ist der Mythos, der sich um das Verbrennen der Hemadlenzen-Strohpuppe rankt. Denn dabei wird symbolisch der Winter ausgetrieben. Wenn man diese Zeremonie im Spätsommer veranstalte, könnte das einen Regentanz-Effekt haben, weil man vielleicht den Sommer damit austreibe. "Nicht dass wir danach ein Scheißwetter haben und ich bin schuld. Das müssen wir spirituell noch ganz genau abklären."

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SZ vom 11.02.2021
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