Süddeutsche Zeitung

Hallbergmoos:"Egal, wo einer herkommt"

Lesezeit: 3 min

Die Geschichte von Saad Aljafry zeigt, wie Integration funktionieren kann. Der junge Mann macht eine Lehre, spielt Theater und unterstützt - auch dank großzügiger Hilfe - ehrenamtlich die Goldacher Feuerwehr

Von Birgit Goormann-Prugger, Hallbergmoos

Es gibt Integrationsgeschichten, die machen Mut, weil sie zeigen, was alles möglich ist. Eine solche ist die von Saad Aljafry, eines jungen Jesiden, der 2015 auf dem beschwerlichen Weg über die Balkanroute mitten im Winter aus dem Irak geflüchtet ist. Weil er vor der Terrormiliz IS nicht mehr sicher war, hatte er das Land verlassen. In Hallbergmoos hat er eine neue Heimat gefunden, lebt dort im Haus Chevalier, einer Einrichtung für Jugendliche und unbegleitete Flüchtlinge. Er macht eine Ausbildung zum Elektriker, spielt Theater beim Verein "Udei" des Freisinger Regisseurs und Bühnenbildners Thomas Goerge, ist Mitglied bei der Volkssternwarte München - und er ist auch aktiv bei der Feuerwehr Goldach.

Das allerdings war nicht immer einfach, denn die Feuerwache ist fast drei Kilometer vom Jugendwerk Birkeneck entfernt. Saad Aljafry musste zu den Einsätzen mit dem Fahrrad fahren, was oft dazu führte, dass seine Kollegen schon weg waren, wenn er endlich eintrudelte. Also brauchte er einen Führerschein, doch der ist teuer. Aber der junge Mann fügte sich so gut ein bei der Goldacher Feuerwehr. "Er macht richtig gut mit", berichtet Kommandant Stephan Zobel. "Kürzlich hat er den Atemschutzlehrgang absolviert und auf Anhieb bestanden, einfach so", erzählt er weiter.

Saad Aljafry wird also gebraucht. Darum wendet sich Zobel in dieser Sache an seinen Dienstherren, den Hallbergmooser Bürgermeister Harald Reents. "Den ziehen wir mit, da müssen wir was tun", sagt Zobel - und Reents tut. Er hat gute Kontakte zum Flughafenverein mit seinem Vorsitzenden Thomas Bihler, auch ein Hallbergmooser. Der Flughafenverein finanziert daraufhin als Weihnachtsgeschenk den Führerschein "von A bis Z", so Bihler. "Aber das hat sich gelohnt, das ist so ein toller junger Mann, ich habe ihn ja kennengelernt", berichtet der Vorsitzende des Flughafenvereins. Saad Aljafry habe ihm dann auch einen Brief geschrieben und sich sehr für die großzügige Unterstützung bedankt, "Das war schon sehr bewegend", sagt Bihler.

Der Führerschein ist also da, nun braucht der junge Goldacher Feuerwehrmann nur noch einen fahrbaren Untersatz - und kann sich im Sommer einen Elektro-Roller kaufen, mit seinem Ersparten und mit der finanziellen Unterstützung durch Thomas Goerges Theater-Verein, private Geldgeber und die Rollerfirma, die den Helm stiftet. Ein größerer Zuschuss kommt auch vom Adventskalender für gute Werke, dem Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung. "Seitdem schafft es Saad Aljafry immer pünktlich zu den Einsätzen der Goldacher Feuerwehr. Erst vor ein paar Tagen wieder bei einem Einsatz in der Nacht um eins", berichtet Kommandant Zobel.

Saad Aljafry selbst möchte sich nun bei allen, die ihm geholfen haben bedanken. "Es gibt nichts in Bayern, was mir nicht gefällt", erzählt er. "Ich mache sehr gerne bei vielen Sachen mit, nicht nur bei der Feuerwehr, denn die Leute von der Feuerwehr, dem Udei-Verein und der Volkssternwarte München sind sehr freundlich zu mir und fragen mich ständig, ob sie mir irgendwie helfen können."

Sein erster Einsatz für die Feuerwehr sei vor einem Jahr gewesen, erinnert er sich, damals galt es eine Hubschrauberlandung für die Rettung einer schwer verletzten Person zu sichern. Vor zwei Wochen habe er dann seinen ersten Einsatz absolviert, bei dem er mit dem Roller zur Feuerwache gefahren sei, mitten in der Nacht, wieder musste eine Hubschrauber-Landung gesichert werden. Am selben Tag sei in Goldach noch eine Brandmeldeanlage ausgelöst worden, der zweite Einsatz mit dem Roller. Auch der Hallbergmooser Bürgermeister freut sich, dass alles so gut geklappt hat. "Das ist wirklich eine tolle Sache, man merkt bei den Versammlungen, dass er dazu gehört, genauso wie jeder andere Feuerwehrmann", erzählt Reents. "Und wir brauchen solche Leute für das Ehrenamt, da ist es auch egal, wo einer herkommt", so Reents weiter.

Regisseur Thomas Goerge, der für sein integratives Theaterprojekt mit Jugendlichen aus dem Haus Chevalier in Birkeneck, jungen Ringern, Flüchtlingen und Menschen mit Behinderung 2018 mit dem Tassilo-Kultursozialpreis der SZ ausgezeichnet worden ist, kennt Saad Aljafry schon länger. Genauer gesagt seit einem Theater-Workshop mit den Jugendlichen im Haus Chevalier. "Saad ist mir da sofort aufgefallen, der wollte unbedingt mitmachen, der hatte da Bock drauf", erinnert sich Goerge. Bei Goerges integrativer Siegfried-Inszenierung spielte Saad Aljafry zunächst nur die vergleichsweise kleine Rolle des Riesen. Einige Monate später bei der Inszenierung von Franz Kafkas Roman "Der Verschollene" im Furtnerbräu war es dann schon die Hauptperson Karl Rossmann.

Im Oktober kann man ihn im Gemeindesaal in der nächsten Goerge-Inszenierung sehen. Diesmal spielt er den Romeo in Shakespeares Tragödie von "Romeo und Julia". Goerges Verein "Udei" interpretiert die tragische Liebesgeschichte wieder zusammen mit jugendlichen Geflüchteten des Hauses Chevalier, Musikschülern aus Hallbergmoos und Goldach, dem Syrischen Friedenschor und dem Kammerorchester unter der Leitung von Vladimir Genin.

Premiere von "Romeo und Julia" ist am 4. Oktober um 19.30 Uhr, eine weitere Vorstellung findet am 5. Oktober statt. Karten gibt es telefonisch (01 76/99 32 84 80) und an der Abendkasse.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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