Süddeutsche Zeitung

Verkehr:"Das Handy hat das Auto abgelöst"

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Fahrlehrer beobachten, dass Konzentrationsfähigkeit und Verkehrsverständnis junger Menschen abnehmen. Die Durchfallquote bei Führerscheinprüfungen steigt an. Woran liegt das?

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Der Auto-Führerschein ist zwar auch heute noch bei Jugendlichen beliebt, aber Fahrschüler in Deutschland sind nach Einschätzung von Fahrlehrern weniger aufmerksam im Straßenverkehr als noch vor Jahren. Die Konzentration junger Menschen nimmt laut der der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände unter anderem wegen des Gebrauchs von Smartphones ab. Auch die Zahl derer, die bei der Theorie- oder Praxisprüfung durchfallen, nimmt laut Verband zu. Die Fahrschulen in Erding bestätigen den Trend. Und sie stellen noch etwas fest: Der Führerschein wird vielen jungen Menschen immer weniger wichtig.

Die Aussage, dass mehr Jugendliche wegen mangelnder Konzentration durch die Prüfung fallen, kann Christoph Flittner von der gleichnamigen Erdinger Fahrschule nicht ganz nachvollziehen. "Die Leute werden ja zur Prüfung vom Fahrlehrer erst vorgestellt, wenn sie es können. Es kann aber schon sein, dass es heute ein längerer Prozess ist, bis sie es können, weil sie eine geringere Aufmerksamkeitsspanne haben", sagt der Fahrlehrer.

Das Problem entsteht seiner Meinung nach schon weit vor dem Führerschein. "Wenn heute ein Jugendlicher mit seiner Mama zum Einkaufen fährt, dann hat er seine Augen auf seinem Handy in seinem Schoss. Früher hat man die Augen auf der Straße gehabt, hat geschaut, was so passiert und hat so Dinge im Verkehr mitbekommen. Das ist heute weg. Deshalb haben die jungen Leute von heute viel weniger Verkehrsverständnis als früher."

Der Führerschein ist Jugendlichen heute nicht mehr so wichtig wie früher

Ein heutiger Jugendlicher habe eine ganz andere Umgebung in seinem Umfeld als früher. Der Schul- und Freizeitdruck sei viel stärker geworden. "Sie haben viel zu viel um die Ohren, zu erledigen. Und so nebenbei auch den Führerschein", sagt Flittner. Dazu komme, dass der Führerschein heute nicht mehr die Bedeutung habe. Der Fahrlehrer hat in dem Zusammenhang auch eine andere Beobachtung gemacht: "Es gibt einen Unterschied zwischen Erding und Dorfen. In Dorfen ist ein Führerschein nach wie vor wichtig. In der Stadt Erding weniger. Wichtiger zwar als in München, da in Städten die öffentlichen Verkehrsmöglichkeiten besser sind."

Auch Markus Köllmberger von der Fahrschule Pustal in Erding bestätigt die Konzentrationsprobleme. "Ein Auto ist bei der Jugend kein Statussymbol mehr. Das ist inzwischen das Handy. Das Interesse fehlt auch oft. Wenn ich mich für eine Sache interessiere, tue ich mich viel leichter. Das Handy hat das Auto abgelöst." Wenn man früher gefragt habe, was der Papa für ein Auto hat, dann sei sofort eine Antwort mit Motordaten und so weiter gekommen.

"Wir waren früher auch sehr viel draußen. Wir haben in unserer Kindheit sehr wenig Zeit vor dem Fernseher oder am Computer verbracht. Es gibt Studien, dass das periphere Sehen deshalb immer mehr abnimmt, man sieht immer mehr wie mit Scheuklappen. Das Blickfeld wird immer schmäler. Wenn heute ein Fahrschüler durch die praktische Prüfung fällt, bekommt man oft die Antwort: Den habe ich nicht gesehen", sagt Köllmberger. Bei den Praxisprüfungen sieht er, wie Christoph Flittner, keine Zunahme der Durchfallzahlen in Erding.

"Die Interessen liegen heute ganz wo anders als bei uns früher. Wir sind mit 16 schon ganz heiß gewesen, dass wir mit 18 endlich Autofahren durften", sagt Mathias Englberger von der gleichnamigen Erdinger Fahrschule. Die heute 18-Jährigen wollten oft gar keinen Führerschein selber machen, sie müssen ihn aber teilweise wegen der Eltern machen oder weil sie ihn für die Fahrt in der Arbeit brauchen, sagt der Fahrlehrer. "Das Eigeninteresse ist in den vergangenen Jahren immer weniger geworden."

Ein Führerschein sei Mittel zum Zweck, nicht, weil man Spaß am Autofahren habe. Auch Mathias Englberger beobachtet, dass viele Jugendliche als Beifahrer eher ins Handy schauen als auf den Verkehr. Die abnehmende Konzentrationsfähigkeit bestätigt auch er. Vieles sei den Jugendliche heute eben mehr so wichtig.

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