Süddeutsche Zeitung

Erding:Neuer Airbus wird in Erding getestet

Lesezeit: 3 min

Den Erstflug hat der A350 am Freitag in Frankreich absolviert. Zeitgleich kommt bei IABG auf dem Fliegerhorst das Mittelstück an, das 86 400 simulierte Flüge überstehen muss

Von Antonia Steiger

Der Blick der Luftfahrtindustrie richtet sich in diesen Tagen zwar auf Toulouse in Frankreich, wo der neue Airbus A350 zu seinem Erstflug gestartet ist. Nicht minder Bedeutsames trägt sich jedoch zeitgleich in Erding zu: Das Technologie-Unternehmen IABG hat am Freitagmorgen um 4 Uhr das Mittelstück des Airbus A350 in Empfang genommen, das in der Erdinger Halle der IABG getestet wird. Ende des Monates treffen zwei Tragflächen ein. Nach der Montage wird das Mittelstück 86 400 Flügen unternehmen - im Zeitraffer und als Simulation.

Die IABG testet ganze Flugzeuge und einzelne Baugruppen auf ihre Festigkeit und Lebensdauer hin, seit 2011 auch in einer Halle am Fliegerhorst. Die Flugzeuge müssen viele tausend simulierte Flüge schadlos überstehen, bevor sie in den regulären Flugbetrieb gehen. Das gelte für Großraumjets genauso wie für Flugzeuge der allgemeinen Luftfahrt und für Militärflugzeuge, heißt es bei der IABG. Derzeit ist sie mit Strukturversuchen am Airbus A350 XWB beauftragt - dem Flieger, der am Freitag seinen Erstflug absolviert hat.

Vom Produktionsstandort St. Nazaire in Frankreich aus trat die Mittelsektion des A350 XWB - XWB steht für Extra Wide Body, also einen sehr breiten Rumpf - ihren ersten Flug mit der Beluga nach München an. Dort traf sie am Mittwoch ein, wie Monika Peters, die Leiterin der IABG-Unternehmenskommunikation erläutert. Am Donnerstag wurde das voluminöse Teil umgeladen auf einen Schwertransporter. In der Donnerstagnacht ging es nach Erding. Um 23 Uhr startete der Konvoi am Flughafen, um 4 Uhr nachts kam er in Erding an.

Die Dimensionen des Transports erforderten laut Peters eine umfangreiche Planung. Eine sorgfältige Auswahl der Transportroute sei notwendig gewesen, insbesondere mussten Brücken oder Überlandleitungen, die den Transport behindert hätten, umfahren werden. Alles sei aber gut gegangen, so lautete Peters Bilanz. In Erding erfolgt nun die Montage und die Vervollständigung des Versuchsaufbaus durch die Experten von Airbus und IABG. Erste Testreihen sind für Anfang 2014 geplant.

Ziel der Strukturtests ist laut IABG "der Nachweis der Festigkeit, Ermüdung und Schadenstoleranz an der Flugzeugprimärstruktur, die nahezu vollständig aus Verbundwerkstoffen gefertigt ist". Dabei werden alle im Flugbetrieb auftretenden Beanspruchungen simuliert. Die 86 400 Flüge entsprechen laut IABG dem Dreifachen der vorgesehenen Lebensdauer.

IABG hat 2011 in Erding eine Halle gebaut. Sie ist 71 Meter lang, 71 Meter breit und 28,50 Meter hoch. Während man sich dort am Freitag darüber freute, dass das Mittelstück den Transport reibungslos überstanden hat, freute man sich in Frankreich über den erfolgreichen Erstflug des A350. Airbus will mit der Maschine dem US-Konkurrenten Boeing mit dessen Dreamliner die Kunden wegschnappen.

Ende 2014 soll der erste A350 an die Fluggesellschaft Qatar Airways ausgeliefert werden. Für das weitere Verfahren gibt es daher einen Zeitplan, an den sich auch IABG in Erding halten muss. Denn die Zulassung durch die Behörden soll laut Airbus in zwölfeinhalb Monaten folgen. Die Maschine "verhält sich extrem gut", sagte Pilot Peter Chandler am Freitag per Videoschalte. Das hat man auch bei IABG in Erding verfolgt, wo die Mannschaft wegen der Ankunft des Mittelstücks versammelt war.

Auch die Bundeswehr nutzt weiterhin intensiv die Kapazitäten am Fliegerhorst: Laut einer Mitteilung ist erstmals ein Eurofighter in Erding gelandet. Die Maschine ist im Jagdbombergeschwader 31 "Boelcke" in Nörvenich stationiert und soll eine Teillackierung des Seitenleitwerkes erhalten. Dafür biete die hochmoderne Lackiererei im Fliegerhorst die besten Voraussetzungen, heißt es weiter, und habe deshalb den Zuschlag für den Auftrag bekommen.

Erding etabliert sich demnach als Standort der Luftfahrtindustrie, die als Partner der Bundeswehr schon lange auch zum Fliegerhorst gehört. Auch in der städtebaulichen Planung für das Fliegerhorstareal für die Zeit nach 2019, wenn die Bundeswehr sich zurückgezogen hat, ist Gewerbe vorgesehen - und zwar genau in dem Streifen, in dem heute die Hallen der Bundeswehr stehen. MTU hat sein Interesse bereits signalisiert. Das Unternehmen schätzt ebenfalls die Nähe zum Flughafen und will von Erding aus den Vertrieb von Einzelteilen in die USA steuern.

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SZ vom 15.06.2013
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