Süddeutsche Zeitung

Erding:Klinikum völlig überlastet

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Zeitweilig sind mehr als 140 Mitarbeiter im Krankenstand, wobei im Stellenplan ohnehin schon 43 Stellen unbesetzt sind. Zudem ist auch von einer "Führungskrise" die Rede

Von Thomas Daller, Erding

Das Klinikum Erding kann den Betrieb in der gewohnten Form nicht mehr aufrecht erhalten. Insbesondere die Pflegekräfte haben ihre Belastungsgrenze erreicht, hieß es am Montagnachmittag im Krankenhausausschuss. Die Zahl der Corona-Patienten war im ersten Quartal so hoch wie nie und ist seither nicht wesentlich gesunken. Aber auch das Klinikpersonal hat einen sehr hohen Krankenstand erreicht. Zeitweise waren mehr als 140 Mitarbeiter erkrankt, 50 bis 60 sind es unter normalen Umständen. Diejenigen, die nicht erkrankt sind, können die Ausfälle nicht mehr schultern. Das Pflegepersonal einer chirurgischen Abteilung soll geschlossen die Arbeit niedergelegt haben. Der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) monierte, Corona bringe auch eine Führungskrise zum Vorschein, weil man es an Wertschätzung gegenüber dem Personal mangeln lasse.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) sagte, er habe Überlastungsanzeigen erhalten, der Krankenstand sei sehr hoch, insbesondere im Pflegebereich. Man könne den Mitarbeitern nicht mehr zumuten, diese Ausfälle zu kompensieren. Am vergangenen Freitag sei eine Mitarbeiterversammlung einberufen worden, bei der die Vorfälle zur Sprache gekommen seien: "Ich bin erschrocken", sagte der Landrat. "Die Lage ist sehr ernst." Angesichts dieser Umstände habe man für den kommenden Freitag eine weitere Mitarbeiterversammlung angesetzt.

Die Suche nach neuen Mitarbeitern dürfte schwierig werden

Krankenhausdirektor Dr. Dirk Last sagte, man suche händeringend neue Mitarbeiter: "Wir dürfen diejenigen, die da sind, nicht überlasten, sonst führt das zum Zusammenbruch des ganzen Systems." Die Suche nach weiteren Mitarbeitern dürfte schwierig werden, ohnehin sind im Klinikum von den 808 geplanten Stellen nur 765 besetzt. Es fehlen bereits 43 Stellen auf dem Plan. Hinzu kommt nun, dass so viele Mitarbeiter selbst erkrankt sind, dass man selbst für die Notaufnahme an manchen Tage nicht genügend Leute habe, sagte Last. Dennoch sei die Notaufnahme noch vergleichsweise "safe", aber im Bettenhaus habe man Betten sperren müssen. Die Situation sei "sehr emotional" geworden: "Mir wird von den verbleibenden Mitarbeitern gesagt, wir können nicht mehr." Im Moment könne man nur Notfalloperationen machen, alles andere werde aufgeschoben.

OB Max Gotz, der Mitglied im Krankenhausausschuss ist, sagte, die geschilderte Situation komme nicht nur durch Corona zum Vorschein: "Diejenigen, die schon lange im Haus arbeiten, sind entsetzt, wie der Umgang im Haus ist." Führungskräfte würden die Wertschätzung gegenüber dem Personal "nicht leben". "Die Anspannung ist riesig, aber es wird nicht besser, wenn wir nicht zuhören", sagte Gotz.

Eine externe Firma könnte womöglich helfen, Probleme auf der Führungsebene aufzuarbeiten

Die Namen derjenigen, die dieses Klima geschaffen haben, sind bekannt, deutete Gotz an: "Die Aussagen der Mitarbeiter waren auf sehr wenige fokussiert." Nach Informationen der SZ spielt dabei auch der Bereich Pflegedienstleitung eine Rolle. Es gehe hier auch um Bereiche, in denen zwischenmenschliche Dinge wichtig seien, sagte Gotz. Er schlug daher vorher, eine externe Firma hinzuzuziehen. Dabei zielte er wohl auf Mediatoren ab.

Landrat Martin Bayerstorfer pflichtete Gotz in dieser Hinsicht bei: "Es war nicht Covid alleine, aber das hat es schneller ans Tageslicht gebracht. Es ist schon einige Zeit nicht optimal gelaufen." Nicole Schley (SPD) erkundigte sich, was denn an Gegenmaßnahmen geplant sei: "Wir haben doch sowieso Personalmangel." Auch sie sprach sich dafür aus, ein externes Unternehmen dazu zu schalten: "Wenn es Führungsprobleme gibt, müssen die Karten auf den Tisch." Im Anschluss daran wurde nichtöffentlich weiterberaten.

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