Süddeutsche Zeitung

Folge der Pandemie:"Wasser ist ein menschenfeindliches Medium, wenn man nicht schwimmen kann"

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Viele Kinder sind schlechte Schwimmer - und Corona macht die Lage noch schlimmer, denn die meisten Kurse mussten ausfallen. Vereine fürchten bereits eine steigende Zahl von Badeunfällen.

Von Theresa Lackner, Erding

Jetzt, kurz vor Frühlingsanfang, kann man schon einmal von warmen Sommertagen und Abkühlung an bayerischen Gewässern träumen. Der Deutsche Schwimmlehrerverband äußerte allerdings vor einigen Tagen Sorgen, dass die Zahl der Nichtschwimmer in Folge der Corona-Pandemie deutlich steigen könnte. Im Landkreis wird die Ansicht von Esther Häring, der Ko-Leiterin der Schwimmschule Wassermäuse, sowie den Vorsitzenden der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Wartenberg und Erding geteilt. Sie alle berichten von langen Wartelisten für Schwimmkurse schon vor Corona. Ein Problem, das durch die aktuelle Lage verschärft wird. Die DLRG-Vorsitzenden Jürgen Hartmann und Stefan Miklos rechnen in dieser Badesaison zudem mit mehr Unfällen an Badeplätzen und einer erhöhten Ertrinkungsgefahr.

Die Schwimmschule Wassermäuse bietet Kurse in Erding und Wartenberg an. Durch die Corona-Maßnahmen sind die Teilnehmerzahlen vor allem in Erding eingebrochen. Während im Jahr 2019 noch 250 Kinder schwimmen lernten, waren es 2020 nur 35. Seit März finden wegen Bedenken aufseiten des Klinikums Erding, dem das angemietete Becken gehört, dort keine Kurse mehr statt. Im Klinikum Wartenberg konnte die Schwimmschule zwischen den Lockdowns unter Einhaltung eines Hygienekonzepts Kurse abhalten, sodass die Zahl der teilnehmenden Kinder von 185 (2019) lediglich auf 106 (2020) fiel.

Esther Häring beobachtet den Rückgang der Schwimmfähigkeit schon länger. Schon vor Corona sei es für Eltern schwierig gewesen, einen Platz für ihr Kind zu erhalten: "Wir haben Wartelisten ohne Ende." Die Nachfrage nach Schwimmkursen sei bayernweit einfach größer als das Angebot und das liege auch an fehlenden Wasserkapazitäten. Ob sie wie geplant nach den Osterferien wieder Kurse anbieten können, ist noch nicht abzusehen.

Jürgen Hartmann schätzt, dass vom Ausfall und den Kursunterbrechungen durch Corona in Wartenberg und Umgebung etwa 30 Kinder betroffen waren. Die Sorge, dass Eltern mit ihren Kindern, die noch nicht richtig schwimmen könnten, an Seen und Weiher fahren würden, ist groß. Er rechnet mit einem arbeitsreichen Jahr für Rettungsschwimmer und Wasserwacht. "Es gibt Nachholbedarf beim Schwimmen und die Wartelisten für die Schwimmkurse werden länger", sagt auch Hartmann.

Erschwerend hinzu komme, dass einerseits die Ausbildung neuer Rettungsschwimmer nicht wie geplant stattfinden konnte und andererseits Übungen der bereits Aktiven teilweise ausfallen mussten. Übung und Training seien aber von großer Bedeutung für das Rettungsschwimmen, so Hartmann. Deswegen hofft Hartmann, dass die angekündigten Corona-Lockerungen auch für die DLRG Wartenberg Spielraum bieten: "Sobald wir Wasserfläche erhalten, werden Ausbildung und Schwimmkurse weitergehen."

Stefan Miklos, DLRG Ortsverband Erding, spricht von einer unglücklichen Situation: "Wasser ist einfach ein menschenfeindliches Medium, wenn man nicht schwimmen kann." Schwimmkurse für Kinder und Geflüchtete, Wassergewöhnungskurse, das falle alles gerade weg. In einem normalen Jahr führt die DLRG in Erding circa 60 Kinder zum Seepferdchen, weitere 20 Kinder nehmen an einem Wassergewöhnungskurs teil. Die Wartelisten sind nicht erst seit dem vergangenen Jahr lang und es ist fraglich, ob der gestiegene Bedarf im Landkreis bedient werden kann.

Miklos betont, dass sich der Verein mit "Leben in der Lage" auskenne und das Beste aus jeder Situation mache. So schlossen trotz erschwerter Bedingungen im vergangenen Jahr drei Personen die Ausbildung zum Schwimmausbilder ab. Wie in Wartenberg fiebert man aber auch in Erding der Öffnung der Schwimmbäder entgegen: "Sobald wir wieder können, werden die Pforten geöffnet", sagt Miklos. Diverse Hygienekonzepte und Ausbilder stünden "Gewehr bei Fuß", so der Vorsitzende.

Bei der Erdinger Wasserwacht dagegen sieht man keine erhöhte Gefahr durch die schwierigen Bedingungen, unter denen Schwimmkurse im letzten Jahr stattgefunden haben. "Es gab schon immer zu wenig Kinder, die schwimmen können", darauf weist auch Bernd Janowsky, der Vorsitzende der Wasserwacht, hin. Dies sei durch die Pandemie und die damit verbundenen geschlossenen Schwimmbäder und ausgefallenen Schwimmkurse nicht besser geworden.

Dass die Schwimmfähigkeit innerhalb der Bevölkerung deutschlandweit seit Jahren rückläufig ist, belegen regelmäßige Erhebungen der DLRG. Aus den Zahlen von 2017 geht hervor, dass 59 Prozent der Zehnjährigen laut Einschätzung ihrer Eltern keine sicheren Schwimmer sind.

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SZ vom 16.03.2021
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