Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Mit einem Abschiedsbusserl ins Feuer

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Die Schnapsbeschränkungen tun dem Hemadlenzenumzug gut, das Brauchtum steht wieder im Vordergrund. Der Unsinnige Donnerstag in der Isen-Stadt.

Thomas Daller

Im Landkreis Erding muss man sich ab sofort auf Tauwetter einstellen: Die Dorfener Hemadlenzen haben wieder einmal erfolgreich den Winter ausgetrieben. Allerdings ging der Lenz erst nach gutem Zureden in Flammen auf: "Brenn, du Sau", riefen die Zuschauer, als anfangs nur weißer Rauch aus dem Hemdkragen der Puppe quoll, bis dann endlich die Flammen aus der Brust schossen und das alljährliche Ritual am Unsinnigen Donnerstag ihr gutes Ende fand. An keinem Tag in Jahr werden in Dorfen so viele Weißwürste gegessen wie am "Unsinnigen". Wer eine gute "Unterlage" hat, geht gestärkt in das Winteraustreiben. Im Rathaus hält man diese Tradition hoch und die Würste sind dort ausgezeichnet. Eine Besucherin brachte Bürgermeister Heinz Grundner sogar einen "Überlebensrucksack" als Geschenk mit. Unter anderem war ein Päckchen Kopfschmerztabletten drin - für den Tag danach. Starke Polizeipräsenz in der Stadt signalisierte, dass die angekündigten Kontrollen von Minderjährigen hinsichtlich Schnapsflaschen auch umgesetzt wurden. Manche jungen Leute trugen ostentativ Ketten mit kleinen Schnapsflaschen um den Hals; wie um zu zeigen, dass sie bereits 18 Jahre alt sind. Die eine oder andere private Schnapsbar wurde zwar im Leiterwagen mitgekarrt, doch auch da hatte die Polizei ein Auge darauf, dass keine Stamperl an Milchgesichter ausgegeben wurden. In der Erdinger Straße, wo sich der Zug traditionell um zehn Uhr in Bewegung setzt, stachen eine Handvoll schwarz gekleideter Security-Leute aus den weißen Lenzen hervor. Eine Gastwirtschaft hatte sie beauftragt, damit es keine Probleme mit Betrunkenen gibt. Sie gingen jedoch davon aus, dass sie im Dienst eine ruhige Kugel schieben könnten. "Wir müssen nur ein bisschen Präsenz zeigen, damit keiner Unfug macht", sagte einer der Wachleute. Pünktlich setzte sich der Zug in Bewegung, vorneweg die Stadtkapelle und die Karnevalsgesellschaft, dann der Block der Traditionalisten, die schon von frühen Kindesbeinen an beim Hemadlenzen dabei waren. Sie sind nicht nur an den schönen alten Nachtgewändern erkennbar, sondern auch an Accessoires wie alten Petroleumlaternen, die sie an Stangen mit sich tragen, oder an Schweinsblasen, die man in der Faschingszeit bei den Dorfener Metzgern vorbestellen kann. Es bildete sich ein schöner langer Zug, in den sich fast alle Lenzen einreihten, gemeinsam durch die Stadt zogen, schunkelten und sangen. Kein Vergleich zu den betrunkenen Haufen, die es in den Jahren vor den Schnaps-Restriktionen gegeben hatte. Am Unteren Tor wurde wie immer zuerst das Prinzenpaar aus der Turmstube geholt, von der sie über die Leiter zu den Lenzen hinabstiegen, Bonbons warfen und Konfetti-Kanonen abfeuerten. Danach ging es weiter zum Rathaus, wo Bürgermeister Grundner ebenfalls vom ersten Stock die Sprossen runterklettern durfte. Nach einer Runde Richtung Haager Straße und ein paar Tanzeinlagen am Rathausplatz ging es weiter zum Marienplatz, wo bereits der Galgen auf den Strohpuppen-Lenz wartete, der in einem Holzkäfig beim Umzug mitgeführt wurde. Die Puppe erhielt noch ein Busserl von Faschingsprinzessin Andrea, dann ließ man sie vom Galgen hinab zum Feuer, das zu ihren Füßen brannte. Doch der Lenz trug heuer schwer entflammbare Strümpfe. Statt an den Füßen zu brennen, fraßen sich die Flammen inwendig nach oben und aus dem Hemdkragen quoll der Rauch. Erst dann schlugen unter dem Gejohle der Zuschauer die Flammen aus der Brust und das Ritual war zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt. Der Frühling kann nun kommen.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2012
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