Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Lebensadern der Heimat

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Der Bund Naturschutz Dorfen setzt mit den Bächen und Flüssen einen neuen Arbeitsschwerpunkt. Zusammen mit dem renommierten Fotografen Andreas Hartl präsentieren sie die Ergebnisse

Von Thomas Daller, Dorfen

Der Bund Naturschutz Dorfen setzt sich neue Schwerpunkte: Nachdem der Kampf gegen die A 94 verloren wurde, kümmert sich die 350 Mitglieder starke Ortsgruppe nun um den Zustand der Bäche und Flüsse in der Gemeindeflur. In den vergangenen Jahren hat es im Raum Dorfen mehrere große Fischsterben durch ausgelaufene Biogasanlagen gegeben. Hinzu kommt, dass die Nitratbelastung in den Bächen durch den Gülleeintrag der Landwirtschaft hoch ist und die Gewässer verschlammen, weil die Maisäcker oftmals bis ans Ufer reichen. Zusammen mit dem LBV will der BN auf diese Probleme aufmerksam machen: "Bäche und Flüsse - Lebensadern unserer Heimat", heißt die Veranstaltung am Mittwoch, 6. November, 19.30 Uhr im Jakobmayer, bei der der renommierte Fotograf Andreas Hartl anhand seiner Aufnahmen zeigt, wie die Artenvielfalt an der Isen und ihren Nebenbächen einst ausgesehen hat. Und der BN ergänzt den Vortrag um eine Ausstellung, bei der er den Zustand der Gewässer im Raum Dorfen dokumentiert. Dafür haben die Mitglieder Nitratproben entnommen, den PH- und den Sauerstoffwert gemessen sowie den Zustand der Verbauung dokumentiert.

90 Prozent aller Fließgewässer im Landkreis sind nach Erkenntnissen des Wasserwirtschaftsamtes verschlammt, verbaut und in keinem guten Zustand. Hinzu kommt, dass es im Landkreis Erding mit seinen rund 80 Biogasanlagen mehrere große Fischsterben gegeben hat: 2010 waren die Isen und die Vils betroffen, seither hat es fünf weitere Fälle gegeben; zuletzt im April dieses Jahres, als ein Landwirt in Anning bei Dorfen die Sicherheitseinrichtung seiner Biogasanlage manipuliert hatte und tonnenweise Gärreste in die Isen liefen. Zudem sind jahrzehntelang Gülle und Erosionen von den Äckern als Schlamm in die Isen geflossen, weil die Landwirte die Uferrandstreifenprogramme kaum angenommen haben. Im Landkreis Erding gibt es 1421 Kilometer Bachläufe; laut einer Bilanz des Wasserberaters im Landkreis Erding aus dem vergangenen Jahr haben die Landwirte aber lediglich 600 Grundstücke für Uferrandstreifen zur Verfügung gestellt, obwohl die Förderung pro Hektar bei 920 Euro lag: weit über dem landwirtschaftlichen Ertrag. Nachdem das Prinzip der Freiwilligkeit somit krachend gescheitert war, sind die Uferrandstreifen nun durch das Volksbegehren "Rettet die Bienen" verbindlich vorgeschrieben. Nur hält sich nicht jeder Landwirt daran: "Etlichen Bauern ist das wurscht", sagt Andreas Hartl. "Die ackern wieder bis zu zwei, drei Meter an die Bäche hin. Und im Verwaltungsvollzug gibt es niemanden, der sich um die Einhaltung kümmert. Der BN müsste jeden einzelnen Fall anzeigen. Das würde jedoch einen Shitstorm geben."

"Man muss mit dem Finger ganz massiv auf die Bauern zeigen", betont Hartl: "Die fahren mit ihren 300 000-Euro-Traktoren nach München, um gegen die neue Gülleverordnung zu demonstrieren. Dabei schützt sie das Trinkwasser, unser wichtigstes Gut." Wer sich um die Umwelt kümmere, werde zum Feindbild gemacht. Er habe im Frühjahr beispielsweise bei Isen Fotos eines blühenden Schlehdorns mit Schmetterlingen gemacht, als ein Landwirt vorbeigekommen sei und ihn als "grüne Drecksau" beschimpft habe.

Auch Rita Rott vom Bund Naturschutz, die die Ausstellung federführend vorbereitet, hat bei den Beprobungen festgestellt, dass die Nitratbelastung der Gewässer "zum großen Teil aus der Landwirtschaft stammt". Der BN vertrete die Auffassung, dass die Gewässerrandstreifen wichtig seien: "Da spielt auch der Hochwasserschutz mit rein und die Biberproblematik. Wenn man dem Biber die ersten fünf Meter am Wasser geben würde, gäbe es viele Probleme gar nicht."

Nach den Beprobungen auf Nitrat, auf PH- und Sauerstoffwert will der BN-Ortsverband Dorfen künftig auch die Bioindikatoren in Form von Kleinstlebewesen untersuchen. Wenn diese Wasserinsekten schlüpfen, könnten gesunde Bäche eine "unheimliche Biomasse hervorbringen", wie eine gute Wiese, sagt Hartl. Ziel seines Vortrags und der Ausstellung sei es, den Besuchern die potenzielle Lebensvielfalt an Bächen und Flüssen nahezubringen.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2019
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