Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Individualistisch integriert

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Peter Breth kam als 25-Jähriger nach Grüntegernbach und blieb. Es gefiel ihm hier und er gefiel den anderen, als Lehrer und Künstler, Kommunalpolitiker und Umweltaktivist. An diesem Dienstag feiert er 80. Geburtstag

Von Florian Tempel, Dorfen

Peter Breth ist ein Phänomen, in mehr als einer Hinsicht. Das wird jeder unterschreiben, der ihn nur ein bisschen kennt. Lehrer und Künstler, Kommunalpolitiker und Umweltaktivist, Sammler und Vereinsmensch, das sind nur die groben Umrisse seiner kreative und tatendurstigen Persönlichkeit. Er ist ein starker Individualist und in kurioser Weise gleichzeitig ein Musterbeispiel an Integrationsfähigkeit. An diesem Dienstag feiert er seinen 80. Geburtstag.

Seit fast 60 Jahren ist er in Bayern, aber man hört noch immer, aus welch anderer Gegend er stammt. Geboren wurde er in Worms am Rhein, einer der ältesten Städte Deutschlands. Die frühkindlichen Erinnerungen, die ihm spontan einfallen, sind traumatisch: "Mit vier Jahren haben ich Worms brennen sehen." Eine leicht zerzauste, lebendige Erinnerung aus dieser Zeit sitzt in seinem Büro. Ein Teddybär, "der im Luftschutzkeller schon immer dabei war" und stets bei ihm geblieben ist.

In der Volksschule fiel das Einzelkind zunächst nicht weiter auf. Erst in der sechsten Klasse wurde seinem Lehrer klar, was für ein schlaues Kerlchen dieser Peter war. Er holte in vier Monaten zwei Jahre Latein nach und wechselte ohne weitere Verzögerung ans humanistische Gymnasium. Nach dem Abitur schrieb er sich ebenso selbstbewusst wie naiv in Mainz für ein Kunststudium ein. Daraus wurde aber nichts, weil er keine Bewerbungsmappe vorweisen konnte und weil er fast zeitgleich die Einberufung zur Bundeswehr erhielt. Mit großem Pragmatismus entschied er sich, für drei Jahre als Soldat zu unterschreiben, um im Anschluss Geld für ein Studium beisammen zu haben.

Die Bundeswehr brachte ihn nach Bayern - "in mein Mutterland", sagt Peter Breth. Seine Mutter ist in Obing geboren und wurde mit zwölf Jahren als Vollwaise zu einem Onkel nach Worms verschlagen. Bayern wurde nun für ihn zur Heimat seines weiteren Lebens. In Freilassing lernte er seiner erste Ehefrau Ursula kennen. Sie heirateten 1963 und blieben bis zu Ursulas Tod 2009 zusammen. Im vergangenen Jahr hat er noch einmal geheiratet, Hannelore Stephani, eine wie er sehr vielseitige bildende Künstlerin.

Die Kunst zum Beruf zu machen, hatte er sich dann doch nicht getraut. "Ich habe mir damals gedacht, was ist, wenn mir die Ideen ausgehen?" Das Auskommen als beamteter Pädagoge ist allerdings so oder so eine viel sicherere Angelegenheit. Nach nur drei Jahren Studium in Eichstätt und München landete er als "Herr Lehrer" 1965 mit Ursula und Tochter Ulrike in Grüntegernbach. Und blieb.

Es gefiel ihm hier und er gefiel den anderen. Er ging in den Schützenverein, zu den Stockschützen und lernte Schafkopfen, wohnte zuerst in der Lehrerwohnung in der Grüntegernbacher Schule, später in einem Bauernhof. Er züchtet Berner Sennenhunde und Tauben, hielt Schafe und baute eine Schulsternwarte. Er wechselte an die Dorfener Hauptschule, spielte Theater, malte Plakate und baute sich in Grüntegernbach ein tolles Haus. Und er wurde politisch aktiv. In den 1970er Jahren war er einer der Ersten, die den Widerstand gegen die Isentalautobahn organisierten und wurde zum Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft gegen die A 94. Als FDP-Mitglied war er ein seltene Erscheinung, wurde Kreisrat und Stadtrat in Dorfen.

Nach seiner Pensionierung widmete sich Breth immer intensiver der Kunst, die er sicher auch zum Beruf hätte machen können. Grafisch expressive Linolschnitte und herrlich verrückte Tierskulpturen sind eine Spezialitäten. Zwei Künstler haben ihn maßgeblich geprägt: Von Ewald Mataré, den er schon als Jugendlicher verehrte, sind sein Stil, sein Handwerk und seine Motivik stark beeinflusst. Von Kurt Schwitters hat er die Begeisterung für Collagen aller Art und für tiefsinnigen Witz angenommen. "Ich merke, dass ich endlich bin", sagte Peter Breth zu seinem runden Geburtstag, "aber ich habe noch viel zu tun, ich hab' schon wieder Ideen."

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SZ vom 23.06.2020
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