Süddeutsche Zeitung

Dorfen:Gesittete Aufmüpfigkeit

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Etwa 300 Dorfener treffen sich zu einem nicht angemeldeten Hemadlenzenumzug. Es wurde einer der schönsten seit Jahren, sagten zahlreiche Teilnehmer am Ende der Veranstaltung

Von Thomas Daller, Dorfen

Fast wie in alten Zeiten zogen die Lenzen durch die Innenstadt.

Die Polizei beschränkte sich darauf, sie zu eskortieren und den Verkehr zu sichern.

Die Veranstaltung verlief in einem familiären, sehr diziplinierten Rahmen, viele Teilnehmer schwärmten vom schönsten Umzug seit vielen Jahren.

Etwa 300 Hemadlenzen haben am Unsinnigen Donnerstag in Dorfen am Hemadlenzenumzug teilgenommen. Offiziell war die Veranstaltung gar nicht angemeldet, weil man damit gerechnet hatte, dass wegen Corona die entsprechenden Auflagen kaum zu erfüllen seien. Aber weil man in Dorfen gerne zum zivilen Ungehorsam neigt, hatten viele traditionsbewusste Dorfener Gefallen an der Idee gefunden, einen kleinen Umzug ohne Anmeldung zu veranstalten. Die Polizei nahm es gelassen: Mit einem kleinen Aufgebot stellte sie sicher, dass die Verkehrssicherungspflicht gewährleistet war und dass das Infektionsschutzgesetz beachtet wurde. Der kleine, fast familiäre Rahmen begeisterte viele Teilnehmer. Etliche sagten, es sei einer der schönsten Umzüge der vergangenen Jahrzehnte gewesen.

Im vergangenen Jahr hatten sich die Dorfener noch in das Unvermeidliche gefügt und den Umzug ersatzlos ausfallen lassen. Aber heuer hielten es viele für vertretbar, den beliebten alten Brauch wieder aufleben zu lassen, auch wenn die bereits angekündigten Lockerungen noch nicht in Kraft getreten sind. Ein Sauftourismus aus der umliegenden Region war ohnehin nicht zu erwarten, weil nahezu alle Dorfener Gaststätten geschlossen waren. Doch auch die gesittete Traditionspflege war hunderten Dorfenern ein wichtiges Anliegen.

Wie ansonsten auch, trafen sich die Teilnehmer in der Erdinger Straße. Das Wetter war traumhaft, bis zum Start um 10 Uhr strömten immer mehr Lenzen herbei. Zwischen 50 und 300 Dorfener, hatte man vorab geschätzt, seien dem Kern der Traditionalisten zuzurechnen, und würden wohl teilnehmen. Und von dieser Zielgruppe waren alle dabei. Oder, wie es eine Teilnehmerin zusammenfasste: "Alles, was in Dorfen Rang und Namen hat."

Kommunalpolitiker, Geschäftsleute, Musikanten, Familien mit kleinen Kindern in bunt geschmückten Leiterwagen, ein jeder liebevoll kostümiert, setzten sich dann in Bewegung. An der Spitze der Leiterwagen mit einer kleinen Hemadlenzpuppe, die traditionell zum Ende des Umzugs verbrannt wird. Dahinter die Musikanten der Dorfener Faschingsdeifen, die traditionelle Faschingslieder spielten. Wie üblich, zog man von der Erdinger Straße zuerst zum Unteren Markt. Am Unteren Tor wird dann normalerweise das Prinzenpaar abgeholt, das über eine Leiter aus dem Torstüberl zu den Hemadlenzen hinabsteigt. Nachdem in diesem Fasching gar kein Paar gekürt wurde, wurde die Leiter beim benachbarten Kostas Tagescafé aufgestellt, wo der Dorfener Kabarettist Alfred Mittermeier dann herunterkletterte. Ihn ehrte man dann mit einem Orden für seine Bemühungen um den Dorfener Fasching.

Am Rathaus steigt normalerweise dann auch der Bürgermeister zu den Lenzen hinunter. Auch das entfiel heuer. Die Hemadlenzen riefen zwar wie immer "aufstehen, aufstehen", aber Heinz Grundner ließ sich nicht am Fenster blicken. Weiter ging es dann über die Haager Straße und zurück über die Innenstadt zum Ausgangspunkt in der Erdinger Straße. Dorthin wurde auch das Verbrennen der Lenzenpuppe verlegt, das sonst am Maienplatz stattfindet. Dazu wird die Puppe an einem Galgen aufgehängt und angezündet. Das steht symbolisch für das Austreiben des Winters. Normalerweise ist sie mannsgroß und wird mit einem Holzfeuer entzündet. Doch dieses mal genügte ein kleines Lenzchen, das man mit einem Feuerzeug entflammte. Doch diese kleine Puppe, ausgestopft mit alten Putzlumpen, hatte es in sich: Im Gegensatz zu den sonst verwendeten Puppen, die mit Stroh ausgestopft werden, brannte sie viel länger als sonst, während die Lenzen drumherum schunkelten und tanzten. "So lange hat noch nie ein Lenz gebrannt", stellten übereinstimmend ein paar Faschings-Veteranen anerkennend fest. Und auch der fast familiäre Charakter des diesjährigen Umzugs wurde abschließend von vielen Teilnehmern gelobt: So schön sei der Umzug, zu dem sonst Tausende Lenzen kommen, schon lange nicht mehr gewesen.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2022
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