Süddeutsche Zeitung

Prozess am Amtsgericht Erding:Leugnen zwecklos

Lesezeit: 3 min

Weil auf seinem Handy ein Video und ein Foto mit kinderpornografischem Inhalt gespeichert waren, ist ein 44-jähriger Mann zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Weil auf seinem Handy ein Video und ein Foto mit kinderpornografischem Inhalt gespeichert waren, ist ein 44-Jähriger am Amtsgericht Erding von einem Schöffengericht zu einer Geldstrafe über 140 Tagessätze zu je 80 Euro verurteilt worden. Dabei hatte der Angeklagte noch Glück, wie Richter Björn Schindler sagte. Nach der Verschärfung des Paragrafen 184 im Strafgesetzbuch im Juli 2021 wäre er nicht unter einer Freiheitsstrafe von einem Jahr davon gekommen. Und zunächst hatte die Staatsanwaltschaft auch ein Jahr und zwei Monate Freiheitstrafe gefordert. Nach den Plädoyers war aber festgestellt worden, dass man von einer falschen Tatzeit ausgegangen war. Die richtige lag vor der Strafverschärfung. Bis 2021 war eine Geldstrafe auch möglich, danach nicht mehr.

Der 44-jährige Angeklagte beteuerte bis zum Schluss, dass er keine Ahnung habe, wie das Foto mit sexualisiertem Inhalt, das eine unter 14-Jährige zeigt, sowie ein Video mit einer Jugendlichen unter 18 Jahren, auf seinem Smartphone gelandet seien. Er habe nichts mit Kinderpornografie am Hut, lehne sie ab und es sei gut, dass hohe Strafen ausgesprochen würden. "Ich bin aber der Falsche", sagte der Angeklagte. Ja, er habe sich damals, als er private Probleme gehabt habe, Videos und Fotos mit pornografischen Inhalten angesehen, aber nur solche mit Erwachsenen. Dass die zwei Dateien auf seinem Handy abgespeichert aufgefunden worden sind, könne er schlecht leugnen. Warum sie aber dort waren, sei ihm ein Rätsel, da er sonst alle diesbezüglichen Inhalte lösche. Er könne sich die zwei Dateien nur so erklären: Sie müssen ihm beim Löschen "durchgerutscht" sein.

Knapp 70 Dateien mit ebenfalls kinder- und jugendpornografischem Inhalt wurden im Cache gefunden

Das mit dem "Durchgerutscht" wollte der Sachverständige für Datenanalyse nicht gelten lassen. Er habe bei den rund 71.000 untersuchten Dateien etwa 4600 mit Erwachsenenpornografie gefunden. Bei den zwei Dateien habe es sich um Bild und Video in einer verschlüsselten App gehandelt, sie seien also versteckt worden. Allerdings sei er in den Caches ebenfalls fündig geworden. Den Puffer-Speichern, die einen Zugriff auf ein Hintergrundmedium möglich machen, beispielsweise ein im Hintergrund gespeichertes Bild. Das bedeutet, dass dort Daten für ein schnelleres erneutes Zugreifen zwischengespeichert sind. Und dort würden auch dann noch Daten liegen, wenn das eigentliche Bild oder Video gelöscht worden sei. Knapp 70 Dateien mit ebenfalls kinder- und jugendpornografischem Inhalt habe er dort gefunden.

Ob der Angeklagte diese Dateien bewusst heruntergeladen hat, konnte der Sachverständige aber nicht sagen. Auch die Staatsanwaltschaft hatte verzichtet, diese Bilder und Fotos in den Strafbefehl aufzunehmen, weil ein wissentliches Speichern nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Anders verhalte es sich bei den zwei strafrechtlich relevanten Dateien, so der Gutachter. Zum einem müssten sie bewusst in dem verschlüsselten App-Speicher abgespeichert, zum anderen auch bewusst heruntergeladen worden sein, da sie aus einer Messenger-App stammten.

Das Gericht unter Amtsrichter Schindler folgte den Aussagen des Gutachters

Der Ansicht folgte auch das Schöffengericht unter Amtsrichter Schindler. Dass der 44-Jährige im Besitz der zwei Dateien war, sei unstrittig, das Gericht sei nach der Aussage des Gutachters aber zur Überzeugung gekommen, dass auch der Vorsatz, das Foto und Video bewusst besitzen wollen, belegt sei. Die ständige Aussage des Angeklagten, nicht zu wissen, woher sie stammen, sei "schlussendlich nicht mehr glaubwürdig". Wenn er sage, dass er Kinder- und Jugendpornografie ablehne und alles, was er diesbezüglich bekomme, sofort lösche, dann speichere man sie nicht vorher in einer separaten App zum späteren Ansehen, um sie nach der Prüfung zu löschen. Es reiche schon ein kurzer Blick, um festzustellen, dass sie strafrechtlich relevant sein können.

Der Anwalt des Angeklagten hatte damit argumentiert, dass die relevanten Dateien nur etwas mehr als einen Prozent aller gefundenen pornografischen Bilder und Videos ausmachten. Das zeige, dass sein Mandant nicht gezielt nach Dateien mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten gesucht habe. Er habe wohl mehrere Dateien auf einmal gespeichert und nicht gemerkt, dass die zwei strafrechtlich relevanten dabei waren. Er hatte auf Freispruch plädiert, zumal sein Mandant auch keinerlei Einträge im Bundeszentralstrafregister habe. Die Staatsanwaltschaft hatte im ersten Plädoyer ein Jahr und zwei Monate, im zweiten sieben Monate Freiheitsstrafe gefordert, jeweils ausgesetzt zu drei Jahren auf Bewährung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5713370
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.