Süddeutsche Zeitung

Eine Garage voller Kräuter:Ein Hauch von Koriander

Lesezeit: 4 min

Malabar-Pfeffer, Muscovado-Rohrzucker: Andrea Rolshausen vertreibt 300 Gewürze aus aller Welt

Von Astrid Becker

Bereits am Gartentor empfängt einen ein ungewöhnlicher Duft. Ein wenig Kardamom, ein Hauch von Koriander und vielleicht sogar noch von Zimt und Vanille. Das angenehme, nur zarte Geruchsgemisch wird zu einer Wolke, die einen wie ein dicker Wintermantel umhüllt, als Andrea Rolshausen die Tür zu einem Gebäude öffnet, das wohl mal eine Garage gewesen sein muss. Doch statt Autos stehen hier zig Regale voller Gewürze. Aus Afrika, aus Asien. Von tausendundeiner Nacht könnte man nun schwadronieren, von der Gluthitze Afrikas schwärmen oder sonst irgendwelche Klischees anführen, die einem in den Sinn kommen, wenn die Rede von der Welt der Aromen ist. Zu Rolshausen passt das alles nicht. Dafür wirkt sie auf Anhieb zu klar, zu bodenständig.

Die Frau mit den brünetten Haaren und den blauen Augen meidet das, was auf Neudeutsch Selbstmarketing heißt. Dabei hätte sie so einiges anzuführen, was sich dafür bestens eignen würde: Sie betreibt sehr erfolgreich einen Gewürzhandel im Internet, will bald expandieren und einen Laden in München eröffnen - und hat vier Kinder aus Afrika adoptiert. Manche Menschen würden sich da als Gutmenschen brüsten, die Familie und Job bestens zu vereinen verstehen und auch sonst immer und jederzeit alles im Griff haben. Rolshausen erweckt zwar den Eindruck, als wäre dies alles bei ihr so, doch sie redet nicht davon.

Wenn man sie beispielsweise fragt, wie sie eigentlich auf Gewürze gekommen ist, sagt sie nur ganz kurz: "Zufall." Es ist ein Wort, das sie noch häufiger verwenden wird. Denn eine besondere Prägung in ihrer Kindheit hin auf Aromen, Düfte, verschiedene Geschmacksrichtungen oder dergleichen habe sie nicht erfahren. Bei mir, sagt sie, "war alles ganz normal". Natürlich hätten ihre Mutter und ihre Oma viel gekocht und auch vieles eingelegt, natürlich habe sie das auch mitbekommen, "doch das war zu dieser Zeit alles selbstverständlich".

Rolshausen, Jahrgang 1968, wächst in Fürstenfeldbruck auf und besucht dort das Gymnasium. Nach dem Abitur geht sie als Au-pair in die Schweiz, hält sich aber auch häufig in Frankreich auf. Dort steht sie oft hinter dem Herd, immer wieder auch mal für bis zu 20 Menschen. "Das war wahrscheinlich entscheidender für mich als meine Kindheit", sagt sie heute. Denn zu dieser Zeit beginnt sie, sich mit Düften und Aromen zu beschäftigen. Doch dass sie sich damit einmal selbständig machen würde, ahnt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Wieder sind es Zufälle, die sie in ihrer beruflichen Laufbahn weiter bringen. Sie landet zunächst im Pressebüro eines internationalen Mode- und Kosmetiklabels aus Frankreich und erwirbt später für einen großen Fernsehkonzern Filmrechte für einen seiner Sender. Irgendwann jedoch wird ihr das "ganze Filmgedöns" zu viel. Über eine Freundin bekommt sie einen neuen Job bei einer Bank. Dort soll sie als Projektleiterin den Internet-Relaunch verantworten: "Zu der Zeit war das noch gar nicht so mit dem Internet wie heute, ich jedenfalls hatte anfangs keine Ahnung davon." Die Erfahrungen, die sie dort sammelt, sollen ihr später zugute kommen. Doch auch das ahnt sie zu dieser Zeit noch nicht. Denn zunächst geht es ihr um etwas anderes, um etwas sehr Persönliches.

Sie wünscht sich mit ihrem Mann Klaus eine richtige Familie. Das Paar beschließt, Kinder zu adoptieren. Nicht in Deutschland, denn das ist schwierig. Sie stoßen auf einen Verein, der Auslandsadoptionen von Kindern aus Madagaskar ermöglicht. Madagaskar, das klingt für Rolshausen und ihren Mann perfekt. Beide sprechen fließend Französisch, "wahrscheinlich war das der Grund für unsere Entscheidung, sagt sie. Also nimmt sie Kontakt auf, "ein rein soziales Motiv war das aber nicht", sagt sie. "Das entsprang einfach dem Kinderwunsch."

Zwei Brüder, im Alter von vier und fünf Jahren, werden 2006 adoptiert. Nur ein Jahr später fährt die Familie nach Madagaskar, auf die Gewürzinsel, wie das Land immer wieder genannt wird. Auch Rolshausen fühlt sich von den intensiv-tropischen Düften dieser Region eingelullt. In ihr wächst eine Idee: Warum nicht die Gewürze dieser Insel direkt nach Deutschland importieren und im Internet vertreiben? Die politischen Wirren, die bürgerkriegsähnlichen Zustände dort lassen die Idee erst einmal unmöglich erscheinen.

Als man ihr nach der Elternzeit nur mehr eine Vollzeit-Arbeitsstelle anbietet, kündigt sie. Denn in der Zwischenzeit hat sie noch zwei Mädchen, wieder zwei Schwestern, aus Äthiopien adoptiert. Vielleicht ist es diese Entscheidung, die sie am Ende doch wieder auf ihre Gewürzidee bringt. In einem Büro sitzen, nicht zu Hause zu sein, das ist für sie bei vier Kindern undenkbar. Mit einem Bekannten, Constantin Messerschmidt, gründet sie 2010 den Onlinehandel Gewürze der Welt. Praktisch ist das anfangs, weil sie ihre Arbeit an ihrem Wohnort Weßling erledigen und genügend Zeit für ihre Familie aufbringen kann. Doch so recht will es nicht klappen. Sie trennt sich von ihrem Geschäftspartner. "Er hat nicht gekocht", sagt sie kurz und knapp über ihre Gründe und verrät damit, um was es ihr im Gewürzhandel geht: Nicht nur darum, hochwertige Produkte zu fairen Preisen anzubieten, sondern auch ihre Kunden umfangreich beraten zu können.

2012 firmiert sie um, betreibt ihren Handel seither alleine unter dem Firmennamen "Baobab Gewürzhandelsgesellschaft". Heute hat sie etwa 300 Gewürze aus aller Welt, darunter auch viele in Bio-Qualität, in ihrem Sortiment - und verbringt offenbar viel Zeit mit Kundenkontakt. Viele ihrer Kunden rufen sie an, fragen nach Rezepten oder nach der richtigen Handhabung der Gewürze. Auch viele Männer sind darunter: "Männer lieben vor allem Pfeffer, kaufen oft acht verschiedene Sorten."

Einer davon ist Benni Beblo von der Band Jamaram. Wenn man ihn nach seinem Lieblingsgewürz fragt, antwortet er spontan: "den Bio-Malabar-Pfeffer aus Goa". Meistens radelt er beim Lager in Weßling vorbei und kauft dann auch noch Safran aus Iran oder den nicht raffinierten Muscovado-Rohrzucker aus Mauritius. "Als Musiker habe ich einen recht stressigen Job, dazu gibt es meistens nicht das Allerbeste zu essen auf Deutschlands Autobahnraststätten", sagt er. Für den Ausgleich kocht er aufwendig, wenn er wieder zu Hause ist. "Mir ist es sehr wichtig, welches Lebensmittel ich verwende und von wem ich es kaufe", sagt er. Rolshausen wähle ihre Produkte sorgfältig aus.

Auf derartige Lobeshymnen bildet sich Andrea Rolshausen nichts ein. Wirklich stolz ist sie auf etwas Anderes: "Es war mir immer wichtig, meinen Kindern Bewusstsein für Ernährung und Lebensmittel beizubringen. Mittlerweile kochen sie sehr gern und auch gut." Auch an diesem Tag hantieren ihre zehn bis 15 Jahre alten Kinder in der Küche. Und es scheint fast so zu sein, als würde in diesem Moment der Duft nach Zimt, Kardamom und Vanille noch ein wenig stärker werden.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2015
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