Süddeutsche Zeitung

Wohnen in Grafing:Zu alt, zu teuer

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Grafing beendet seine Überlegungen, in der Schlossstraße Wohnraum zu kaufen - bringt aber städtische Neubauten am Alten Bauhof und dem Aiblinger Anger auf den Weg

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die Stadt erwirbt Wohnungen in der Schlossstraße - und vermietet sie anschließend nach sozialen Kriterien weiter. Zumindest im Kern hatte sich der Bauausschuss unlängst einem solchen Antrag der Grafinger Bayernpartei angeschlossen. Seit der Stadtratssitzung am Dienstagabend ist der Plan allerdings wieder vom Tisch: Die Preise selbst für mehr al 50 Jahre alte Mehrfamilienhäuser sind in Grafing derart hoch, dass Neubauten auf eigenen Grundstücken günstiger kommen.

Wie lange das Telefonat von Bürgermeister Christian Bauer (CSU) am Montag mit der Münchner Stadtsparkasse dauerte, ist nicht überliefert. Vieles spricht jedoch dafür, dass es ziemlich schnell zu Ende war. Die Positionen von Stadt und Geldinstitut, das die Schlossstraßen-Blöcke gerade im Auftrag des Eigentümers auf den Markt bringt, lagen nämlich ziemlich weit auseinander.

Bis zu einem Quadratmeterpreis von 3500 Euro hatte der Bauausschuss den Bürgermeister mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet. Der Betrag markiert aktuell den Baupreis für neu errichtete Wohnungen auf städtischem Grund. Die Stadtsparkasse dagegen soll einem Schlossstraßen-Bewohner dessen 69-Quadratmeter-Mietwohnung für rund 400 000 Euro zum Kauf angeboten haben. Das ergibt, grob gerechnet, einen Quadratmeterpreis von rund 5800 Euro.

"Das ist einfach zu viel für uns - und zu riskant", fasste der Bürgermeister nun dem Stadtrat zusammen. "Niemand kann absehen, was bei 50 Jahre alten Wohnungen noch an Instandsetzungsmaßnahmen dazukommt." Und selbst wenn alles verlässlich bezifferbar wäre: "Damit sich die Investition rechnet müssten wir die Mieten um fast ein Viertel auf zwölf oder 13 Euro erhöhen - das ist nicht mehr sozial adäquat."

Das Gremium bewertete die Angelegenheit wenig anders: Gegen die Stimmen von Bayernpartei-Antragssteller Walter Schmidtke sowie Roswitha Singer (Grüne) und Lena Huppertz (Linke) stoppte das Gremium jedwede städtische Kaufintervention in der Schlossstraße. Die breite Front konnte Schmidtke auch mit einem abgeschwächten Antrag nicht knacken. "Ich glaube einfach nicht, dass ein neuer Investor dort wirklich die 5800 Euro für den Quadratmeter zahlt. Das ist doch weit über dem Ertragswert der Wohnungen." Womöglich kämen die Wohnungen am Ende spürbar günstiger auf den Markt. "Warum warten wir nicht ein halbes Jahr ab?"

Derweil geht es in Sachen Wohnraum an anderer Stelle weiter. In seiner Sitzung beriet der Stadtrat nämlich zudem über einen Grundstückstausch mit dem Freistaat Bayern: ein Teil der bereits erschlossenen Fläche neben dem "Aiblinger Anger" gegen einen Teil des ehemaligen Bauhofgrundstücks an der Von-Hazzi-Straße. Klappt der von der CSU eingefädelte Deal, könnte Grafing auf beiden Arealen Wohnraum errichten.

Und genau dafür spricht mittlerweile einiges. Zum einen, weil der Stadtrat einstimmig die "unbedingte Absicht" versicherte, auf den Grundstücken preisgünstigen Wohnraum errichten zu wollen. Zum anderen, weil das Bauministerium im Falle eines solchen Beschlusses bereits eine Art Abkürzung prozesstechnischer Art zusicherte: Anstatt auf die formale Baulandausweisung des städtischen Grundstücks am Aiblinger Anger zu warten, kann der Tauschvertrag nun schon in den nächsten Wochen geschlossen werden. Grafing könnte also zumindest am alten Bauhof zeitnah in die konkreten Planungen einsteigen. Übernehmen soll das die GWG Ebersberg, die Wohnungsgenossenschaft Ebersberg eG.

Etwas zeitversetzt soll es dann am Aiblinger Anger weitergehen. Dort macht der Freistaat zwar zur Bedingung, dass das über die Tauschflächen hinausgehende Areal, immerhin rund 5600 Quadratmeter, exklusiv von der freistaatlichen Wohnungsbaugesellschaft Bayern Heim GmbH bebaut wird. Das wiederum ist dem Stadtrat nur recht: "Mit der Bayern Heim GmbH steht ein leistungsstarkes Unternehmen zur Verfügung, das als Staatsbetrieb die entsprechende Gewähr bietet, die Grundstücke dauerhaft für den staatlich geförderten Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen", hatte das Gremium bereits im vergangenen Jahr befunden. "Damit könnte diese gemeindliche Aufgabe letztendlich auf den Staat übertragen werden."

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SZ vom 08.10.2021
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