Süddeutsche Zeitung

Virtuelle Ausstellung:Kulturverein Glonn: Kunst trotz Krise

Lesezeit: 3 min

Bei der Mitgliederausstellung des Kulturvereins Glonn zeigen 15 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke - zumindest online.

Von Anja Blum, Glonn

Was braucht der Mensch, um ganz Mensch zu sein? Was ist alternativlos? Systemrelevant? Zählt die Kultur dazu? Fragen wie diese treiben das Land seit Monaten um. Eine klare Antwort gibt nun der Kulturverein Glonn: Er hat seine Mitgliederausstellung trotz aller Widrigkeiten nicht ausfallen lassen, sondern sich die Mühe gemacht, die Klosterschule mit Kunst zu bestücken - obwohl keinesfalls klar war, ob und wie sie das Publikum erreichen würde können. Nun tut sie es, erstens mithilfe dieses Artikels, und darüberhinaus im Internet. Sowohl auf der Homepage des Kulturvereins als auch auf Instagram kann man virtuell durch die Ausstellung wandeln. Und dabei wird schnell klar: Kunst ist durchaus wertvoll, sie kann uns überraschen, erheitern und berühren. Sie lässt uns unser Menschsein spüren.

Ein erster Gänsehautmoment bietet sich gleich in der Kapelle, wo Angelina Adams-Kolbeck aus dem Landkreis Rosenheim zwei Skulpturen aufgestellt und um Texte bereichert hat. Die eine, janusköpfig, huldigt der kraftvollen Mutter Erde, die andere erinnert an archaische Freskenmalerei und zeigt zwei einfach gestaltete biblische Gestalten. Dazu gibt es eine kleine Geschichte unbekannten Verfassers: "Zwei Engel auf Reisen" handelt davon, dass die Dinge nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen. Wem da nicht ein wenig weihnachtlich wird, der hat vermutlich kein Herz. In wieder eine ganz andere emotionale Richtung weisen die humorvollen Tonfiguren von Rüdiger Thorwarth: Erneut beweist der Glonner seine Vorliebe für Großkopferte in handlichem Format, indem er Merkel, Trump und Co. satirisch in Szene setzt. Energie pur hingegen verströmen die Gemälde von Waltraud Fichter: Die Grafingerin hat spannende Sportmomente mit kraftvollem Strich auf Leinwand gebannt.

Weiter geht es mit Abstraktionen, die jedoch nicht weniger Wirkung auf den Betrachter haben. Karin Nahr aus Glonn zeigt Siebdrucke, die teils mit Malerei oder Materialdruck kombiniert wurden. Das Ergebnis sind beeindruckend fantasievolle Kompositionen, stets Spiel aus lichten Farbflächen und feinen Linien. Weniger grafisch, aber ebenso abstrakt sind die Gemälde von Johanna Bell-Hartl aus Kolbermoor. Sie hat sich von den vier Jahreszeiten zu teils pastosen Farbräumen inspirieren lassen, nennt ihre Arbeiten "strukturbehaftete Traumillusionen ohne kalkulierte Pinselstriche". Helmut Kirchlechners Schwerpunkt hingegen ist die Zeichnung. Der Glonner zeigt diesmal nur eine einzige großformatige Arbeit: "Organigramm 2020" setzt sich mit der aktuellen Situation auseinander und ist inspiriert von Pieter Brueghel dem Älteren und Hieronymus Bosch. In den Vordergrund einer weiten Landschaft hat Kirchlechner einen Haufen wirrer organischer Strukturen gesetzt, darüber dräut ein Unwetter.

"Zur Zeit male ich meist abstrakte Bilder, die sich manchmal zufällig zum Gegenständlichen hin entwickeln", erklärt die Gonnerin Ursula Grieshaber, und tatsächlich hat sich in eine ihrer pastosen Farbimpressionen ein gar nicht so undeutlicher weiblicher Akt eingeschlichen. Anni Widmann, die in Schlacht lebt, vermittelt durch ihre Kunst vor allem Lebensfreude, sei es mit floralen Motiven oder ganz reizenden tanzenden Feen. Bernadette Möllmann wiederum hat sich der Abstraktion verschrieben: Die Bilder der Brückmühlerin zeichnen sich durch starke Kontraste, Vielschichtigkeit und eine klare Komposition aus. Plakativ im besten Sinne des Wortes arbeitet Johanna Schneider, aus Ursprung: Sie zeigt tierische wie menschliche Porträts, denen trotz ihrer Gegenständlichkeit etwas Geheimnisvolles anhaftet.

Die sich auflösende Realität hingegen ist das Metier von Anna Mainz aus Glonn: Aus dem Landschaftsbau kommend, widmet sie sich gerne urbanen Strukturen oder verwandelt Gartenpläne in fantasievolle Zeichnungen. Ihre Vorliebe für Aquarellmalerei mit Landschaftsmotiven beweist Johanna Anton aus Glonn, zum Beispiel indem sie mit Strand um Palmen südliches Flair verströmt. Viele kleine Arbeiten mit diversen Motiven kann man auch sehen von Elisabeth Lehmann, etwa Eulen, Planeten oder Pyramiden. Die Glonnerin ist das erste Mal bei der Schau vertreten. Richard Salobir, ebenfalls aus Glonn, zeigt einerseits gekonnt gestaltete Landschaftsaquarelle, etwa vom Kupferbach, andererseits zwei schöne Frauengesichter in Öl. Ausschließlich feine Aquarelle stellt Helene Wedekind aus, die Motive der Glonnerin sind Tiere, Blumen und Frauen verschiedener Kulturen.

Ja, das ist kreative Vielfalt, ein Trost in diesen kulturarmen Zeiten. Wie schön, und immer wieder erstaunlich, dass es in und um Glonn so viele Menschen gibt, die sich dem bildnerischen Ausdruck widmen, für die dieser alternativlos geworden ist.

Mitgliederausstellung des Kulturvereins Glonn, Klosterschule, zu sehen online unter www.kulturverein-markt-glonn.de oder www.instagram.com/galerie.klosterschule.glonn/

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SZ vom 27.11.2020
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