Süddeutsche Zeitung

Vierjährige an Leukämie erkrankt:Ein halber Teelöffel Blut

Lesezeit: 3 min

Die vierjährige Paula aus Ebersberg ist an Leukämie erkrankt. Nun sucht die Kinderkrebshilfe nach einem Stammzellenspender, der dem kleinen Mädchen das Leben rettet. Die Typisierungsaktion findet am 19. August statt

Karin Kampwerth

Die blonden Haare fallen in das Kindergesicht mit der süßen Stupsnase, die von Sommersprossen umrahmt wird. Die blauen Augen blitzen, und wer darin lesen kann, weiß, dass das kleine Mädchen garantiert gerade einen Streich ausheckt, mit dem es alle zum Lachen bringen wird. "Paula ist der Sonnenschein der Familie", sagt Helga Bogensperger. Dennoch wünschte sie sich wohl, die Vierjährige gar nicht kennen zu müssen - Bogensperger ist Vorsitzende der Kinderkrebshilfe Ebersberg.

Ein unguter Zusammenhang, denn der Verein hat nun überall in Ebersberg Plakate mit dem hinreißenden Schnappschuss von Paula aufgehängt und Flyer verteilt: Darauf wird zu einer Typisierungsaktion am Sonntag, 19. August, im Ebersberger Rathaus aufgerufen, weil Paula an Leukämie erkrankt ist und dringend eine Stammzellenspende benötigt. Übersetzt heißt das: Wer sich einen halben Teelöffel voll Blut abnehmen und auf dessen Gewebemerkmale untersuchen lässt, könnte bei einer ausreichenden Übereinstimmung zum Lebensretter der kleinen Patientin werden.

Paula ist ein so fröhliches Mädchen", sagt Bogensperger, der trotz ihres langjährigen Engagements für die Kinderkrebshilfe die Erschütterung über jede neue Erkrankung anzumerken ist. "Die Kleine reißt mit ihrem Temperament alle mit." Genauso gerne, wie sie auf Bäume klettert oder mit dem Fahrrad herumkurvt, liebt sie es auch zauberhaft und rosarot. "Sie ist ein großer Fan von Prinzessin Lillifee", sagt Bogensperger. "Und sie malt wahnsinnig gerne."

Vor wenigen Wochen dann der Schock, der die heile Welt von Paula, ihrer großen Schwester, ihrer Mutter, ihrem Vater, furchtbar erschüttert hat: Das sonst so muntere Mädchen war plötzlich richtig krank und bekam so hohes Fieber, dass ihre Eltern sie vorsichtshalber in die Klinik brachten. Dort mussten sie erfahren, dass ihre Tochter an einer besonders aggressiven Form der Leukämie erkrankt ist. Paulas kleiner Körper produziert nicht mehr ausreichend rote Blutzellen, stattdessen wird er von entarteten weißen Blutkörperchen überschwemmt. Nur noch mit Hilfe einer Stammzellenspende kann sie den Blutkrebs besiegen.

Als Nachbarn und Freunde von der schweren Erkrankung der Vierjährigen erfuhren, sei für sie sofort klar gewesen, dass sie was tun müssten, erzählt Helga Bogensperger. In Absprache mit den Eltern und der Haunerschen Kinderklinik in München, wo sich die Ebersberger Kinderkrebshilfe hauptsächlich engagiert und wo Paula behandelt wird, habe man die Entscheidung getroffen, über eine Typisierungsaktion nach einem Spender zu suchen. "Alle sind extrem aktiv", berichtet Bobensperger. Weil Freunde und Nachbarn die Organisation der Aktion sowie die Mobilisierung von möglichen Spendern übernähmen, könne die Familie ihre ganze Kraft für Paula aufwenden.

Eine Chemotherapie hat die Kleine schon hinter sich. Doch das bremst lediglich den Krebs und kann ihn nicht zerstören. Dazu wären nur gesunde Stammzellen in der Lage. "Für eine Spende wird aber kein Rückenmark entnommen", stellt Helga Bogensperger klar. Das sei ein häufiger Irrglaube. Stammzellen befänden sich im Knochenmark. Inzwischen sei für eine Spende nicht einmal mehr eine Entnahme aus der Hüfte notwendig, sie könnten direkt aus dem Blut gewonnen werden.

Vor einer Spende steht jedoch die Typisierung des Blutes auf seine Gewebemerkmale. Für die Aktion zu Paulas Rettung und der vieler anderer Leukämiekranker haben die Ebersberger Helfer die Stiftung "Aktion Knochenmarkspende Bayern" (AKB) in Gauting hinzugezogen. Für sie habe man sich entschieden, weil weitere Untersuchungen von infrage kommenden Spendern in München oder Gauting vorgenommen werden könnten.

Auch die Deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS hatte in den vergangenen Jahren mehrmals zu Typisierungsaktionen für Landkreisbürger aufgerufen. "Mögliche Spender müssten dann für die Vorbereitungen zur Stammzellenentnahme nach Ulm reisen", sagt Bogensperger. Allerdings sei es egal, welche Initiative die Typisierung vornehme, "im Anschluss werden die Informationen in ein und dieselbe Datei aufgenommen", sagt Bogensperger. Wer sich also bereits bei einer DKMS-Aktion habe typisieren lassen, sei automatisch auch als möglicher Lebensretter für Paula registriert.

Die Vorsitzende der Ebersberger Kinderkrebshilfe hofft auf eine große Bereitschaft in der Bevölkerung, sich typisieren zu lassen, denn der eigentlich so lebensfrohen Paula geht es nicht besonders gut. "Sie leidet sehr darunter, nicht in den Kindergarten gehen zu dürfen", erzählt Bogensperger. Auch mit ihren kleinen Freunden dürfe sie nicht spielen, weil nach der Chemotherapie das Risiko einer Infektion zu hoch ist.

Selbst Bogenspergers Söhne hat Paulas Schicksal so angerührt, dass sie umgehend alle ihre Freunde über Facebook aufgerufen haben, sich typisieren zu lassen. "Je jünger mögliche Spender sind, desto größer ist die Chance, dass sie einem Leukämiekranken das Leben retten können", sagt Helga Bogensperger. Das liege allein schon daran, dass jemand, der sich typisieren lasse, bis zu seinem 60. Geburtstag in der Spenderdatei gespeichert werde.

Doch die Ebersberger Kinderkrebshilfe ist für die Typisierungsaktion nicht nur auf Blut-, sondern auch auf Geldspenden angewiesen. "Die Erstuntersuchung kostet 40 Euro", erklärt Bogensperger. Das bezahlen wir aus unseren Mitteln." Wer finanziell helfen will, kann die Kosten für seine Typisierung selber übernehmen oder spenden. Dafür hat die Kinderkrebshilfe ein Konto eingerichtet: Kreissparkasse Ebersberg, Bankleitzahl 70250150, Kontonummer 28399, Kennwort: Paula.

Typisierungsaktion für Paula am Sonntag, 19. August, von 10 bis 17 Uhr im Ebersberger Rathaus. Medizinisches Fachpersonal wird das Blut entnehmen, der Zeitaufwand beträgt rund fünf Minuten.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2012
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