Süddeutsche Zeitung

Verwaltungsgericht-Geschichten: Noch eine Mauer in Grafing?:"Sind nicht in der Kneipe"

Lesezeit: 2 min

Zwei Nachbarn streiten über Standort eines Geräteschuppens

Von Andreas Junkmann, Grafing

Der kleine Grafinger Ortsteil Eisendorf ist ein wahres Idyll. Im Süden der Bärenstadt liegt er eingebettet von saftig grünen Wiesen und Wäldern - man möchte sich fast zu der Plattitüde hinreißen lassen, dass hier die Welt noch in Ordnung ist. Doch für zwei Nachbarn am Ort ist die Harmonie etwas in Schieflage geraten. Der Grund ist ein Geräteschuppen, den einer von ihnen just an der Grenze der beiden Grundstücke errichten will. Gegen die dafür vom Landratsamt erlassene Baugenehmigung hatte der andere Anwohner nun vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Sein Einwand: Das Häuschen stehe viel zu nah an der Grundstücksgrenze.

Tatsächlich würde es in dem weitläufigen Garten viele Möglichkeiten geben, wo der Bauherr seinen Geräteschuppen errichten könnte. Warum er diesen trotzdem so nah an den Zaun des Nachbarn stellen will, erklärte er beim Ortstermin mit den Verwaltungsrichtern: Würde er das Häuschen weiter wegsetzen, ergebe sich dahinter eine unschöne Lücke. "Was mach ich dann mit dem Streifen?", fragte der Mann, der sich aber rein rechtlich auf dünnem Eis bewegte. Denn eigentlich müsste er mit seinem Neubau einen Mindestabstand von drei Metern zum Nachbargrundstück einhalten. Das Grundgerüst der drei mal sechs Meter großen Hütte steht aber lediglich einen Meter vom Maschendrahtzaun seines Gegenübers entfernt. Hinzu kommt, dass beide Anwohner die zulässigen Maße für Nebengebäude ohnehin bereits überschritten haben, wie die Verwaltungsrichter vor Ort feststellten.

Eine verzwickte Situation also, für die Richterin Cornelia Dürig-Friedl eine so simple wie effektive Lösung parat hatte: "Ich habe das Gefühl, dass es helfen würde, wenn man zwischen den Grundstücken eine Mauer zieht." Dann könne jeder wieder zu seinem normalen Leben zurückkehren, ganz ohne Streit. Einen solchen gebe es eigentlich zwischen den Nachbarn gar nicht, sagte aber der Kläger. Ihm sei vielmehr die Baugenehmigung des Landratsamtes ein Dorn im Auge. "Es ist doch sinnfrei. Magst dich nicht einigen?", fragte er deshalb in Richtung seines Nachbarn, der allerdings auf dem Standort für seinen Geräteschuppen beharrte. Schließlich jedoch verständigten sich die beiden darauf, dass das Bauwerk zumindest eineinhalb Meter von der Grundstücksgrenze entfernt errichtet werden soll.

Doch zufrieden waren beide Seiten damit noch nicht: Ob er sich für das Entgegenkommen nicht an den Reparaturkosten für den Zaun zwischen den beiden Gärten beteiligen wolle, fragte der Kläger. Davon aber wollte der Nachbar nichts wissen, der gehöre ihm ja schließlich nicht, entgegnete er. An dieser Stelle schritt Richterin Dürig-Friedl mit der Bemerkung ein, dass bei einem Kompromiss normalerweise jeder ein bisschen nachgeben müsse. "Wir sind ja hier nicht in der Kneipe", kommentierte sie die zunehmend hitzig werdende Diskussion der beiden Nachbarn.

Diese fand nach längerem Hin und Her doch noch ein halbwegs versöhnliches Ende. Der Mann darf seinen Geräteschuppen bauen, beteiligt sich dafür aber zur Hälfte an den Reparaturkosten des Zaunes. Damit war der Dorffrieden wieder hergestellt.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2021
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