Süddeutsche Zeitung

Sport in Grafing:"Frauen waren schon immer die aktiveren"

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Der TSV Grafing setzt sich dafür ein, dass ältere Menschen möglichst lange fit bleiben und eigenständig den Alltag meistern können. Dafür gibt es nun eine Auszeichnung. Besuch in der Turnhalle.

Von Merle Hubert, Grafing

Um die 15 ältere Frauen in sportlichen Klamotten sitzen auf Holzhockern in einem Kreis. Sie bewegen sich im Rhythmus der Musik, während eine Kursleiterin Übungen vorgibt. Erst bewegen die Teilnehmerinnen die Zehenspitzen von rechts nach links, dann die Fersen - kleine, schnelle Bewegungen hin und her. Nun heben sie zuerst nur das Knie, strecken das ganze Bein nach vorne aus und führen es zur Seite. Es folgt das andere Bein. Erschwert wird die Übung durch ein Balancekissen, auf dem die Frauen sitzen. Manche greifen seitlich an den Hocker, um das Gleichgewicht zu halten. "Bein heben, strecken und zur Seite. Jede macht was sie kann", ermutigt die Übungsleiterin. "Noch drei, zwei , eins - und geschafft!"

Jeden Dienstag um viertel nach zehn beginnt Gabi Sabos Gymnastikkurs in der Christian-Sebert-Halle in Grafing. Bevor es los geht, werden die Geräte aus dem Nebenraum geholt. Darunter ein buntes Balancekissen aus Gummi, ein Handgerät - und ein Holzhocker. Was haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer damit wohl vor?

Übungsleiterin Gabi Sabo klärt auf: Bei dem Sportkurs handle es sich nicht um ein anstrengendes Aerobic-Training mit Springen und Laufen, sondern um ein Training, das speziell für Senioren ausgelegt ist. "Aktiv und gesund älter werden" heißt der Kurs. Die meisten der rund 15 Teilnehmerinnen sind bereits über 70. Sabo startet die Musik und schon kann es losgehen.

Viele der Übungen werden im Sitzen durchgeführt. Trotzdem werden alle Körperteile beansprucht und mobilisiert. Nach eine kurzen Ausdauereinheit folgen kräftigende Bewegungen auf den Hockern und schließlich ein paar Dehnübungen. Der Kurs ist nur einen von vielen Angeboten des TSV Grafing für Seniorinnen und Senioren. Wegen diesem besonderem Engagement wurde der Verein nun nach 2017 zum zweiten Mal vom Bayerischen Turnverband BTV mit dem Qualitätssiegel "Seniorenfreundlicher Verein" ausgezeichnet.

72 Mitglieder sind über 80 Jahre alt

Schon seit Jahren engagiert sich der TSV Grafing für ältere Menschen und bietet ein breites Kursangebot an. "1998 habe ich meine erste Stunde für Senioren gegeben", erzählt Margarete Thoma. "Turnen der Älteren" wurde es damals genannt. Die 83-Jährige ist seit 45 Jahren Übungsleiterin beim TSV Grafing. Ihren Posten als Abteilungsleiterin hat sie nach 30 Jahren an Ina Steinhögl weitergegeben. Initiiert durch den Aufruf des bayerischen Turnverbands, haben die beiden Frauen das seniorenfreundliche Programm im Verein aufgebaut. Seitdem hat sich das Programm Stück für Stück entwickelt. "Wir haben vor allem auch versucht, die Männer mehr mit einzubeziehen", erzählt Thoma. "Die Frauen waren schon immer die Aktiveren - das ist auch heute noch so", sagt sie und lacht.

Sechs verschiedene Kurse für Seniorinnen und Senioren über verschiedene Altersstufen hinweg bietet der Verein an. Und das Programm wird gut angenommen. "Die Senioren kommen wöchentlich - egal ob es regnet, stürmt oder schneit", erzählt Ina Steinhögl. 72 der Mitglieder des TSV-Grafing sind bereits über 80 Jahre alt, davon 47 Frauen und 25 Männer. Doch nicht nur wegen der Vielseitigkeit des Kursangebotes wurde der TSV Grafing als seniorenfreundlicher Verein ausgezeichnet.

Viele der Übungsleiter haben spezielle Fortbildungen absolviert oder engagieren sich neben den Kursen ehrenamtlich für ältere Menschen. Margarete Thoma, etwa arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Seniorenhaus Grafing. Darüber hinaus gibt es außerhalb der Gymnastikstunden ein breites Aktivitätsangebot für ältere Menschen, wie etwa Fahrrad- oder Wanderausflüge oder eine Gruppe, die sich regelmäßig zum Walken trifft.

"Das A und O ist die Regelmäßigkeit"

Viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind schon jahrelang dabei. Die 75-jährige Elisabeth Stamm zählt seit gut 40 Jahren zu den Mitgliedern des TSV Grafing. Thoma, Steinhögl, Sabo und ihre Kollegen hoffen aber auch, noch Neu- oder Wiedereinsteiger für ihr Kursangebot gewinnen zu können. Vor allem für ältere Menschen sei ein gezieltes Training ratsam, damit sie möglichst lange eigenständig den Alltag meistern können.

"Es ist wichtig, dass die Seniorinnen und Senioren bestimmte alltägliche Bewegungen beibehalten", betont Margarete Thoma. "Zum Beispiel Beweglichkeit im Schulterbereich, Armekreisen oder das Bein zu heben, um sich die Strümpfe anzuziehen." Diese Bewegungsabläufe, aber auch Kraft und Koordination werden während der Kurse gezielt trainiert. "Das A und O ist die Regelmäßigkeit", sagt Thoma. "Es sind diejenigen, die seit Jahren kommen, die fit geblieben sind."

Dem stimmt auch Übungsleiterin Gabi Sabo zu: "Ich sage immer use it or lose it." Durch ein abgestimmtes Training kann der Prozess des körperlichen Abbauens aber verlangsamt oder sogar wieder rückgängig gemacht werden. "Man merkt den Unterschied. Man muss sich um seinen Körper kümmern."

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