Süddeutsche Zeitung

Ebersberger SPD-Kandidatin:Unnachgiebig: Doris Rauscher fordert kostenlose Kitas

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Die Ebersbergerin tritt zum zweiten Mal als SPD-Direktkandidatin an. Im Landtag möchte sie sich noch energischer für ihr wichtigstes Anliegen einsetzen.

Von Johanna Feckl, Ebersberg/Poing

Oft ist da diese Hemmschwelle, die Doris Rauscher nicht mag. Deshalb steht sie an diesem verregneten Septembernachmittag auch hier, vor einer Poinger Eisdiele, in ihren Händen ein Päckchen mit Gutscheinen für eine Kugel Eis. "So kommt man leichter ins Gespräch mit den Menschen als bei einer Podiumsdiskussion", sagt die 51-Jährige. "Mir ist es sehr wichtig, mich mit den Leuten direkt zu unterhalten." Ganz ohne Hemmschwelle. Oft werde sie auch beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Spazierengehen angesprochen, erzählt Rauscher. Aber das seien immer nur Zufallsbegegnungen.

Durch Aktionen wie die in Poing, aber auch in anderen Orten, sollen möglichst viele Landkreisbürger die Gelegenheit bekommen, mit der zweifachen Mutter über ihre Politik zu sprechen. Es ist das dritte Mal, dass Rauscher zum Eisessen einlädt. Und es ist das zweite Mal in Folge, dass sie als SPD-Direktkandidatin des Ebersberger Stimmkreises für ein Landtagsmandat antritt.

Zwar unterlag Rauscher bei der vergangenen Wahl um das Direktmandat im Jahr 2013 ihrem CSU-Kollegen Thomas Huber. Aber über ihren Listenplatz schaffte sie es letztlich doch knapp und zog in den Landtag ein. Sollte der 51-Jährigen das ein zweites Mal gelingen und sie wieder im Landtag sitzen, weiß sie bereits, was während dieser Zeit passieren soll: "Die alten Themen werden auch die neuen sein - da hat sich leider noch zu wenig getan." Ein zentrales Ziel dabei: "Wir brauchen eine Stärkung der Erwerbsbiografie", fordert Rauscher. Sie meint damit, dass Menschen möglichst durchgehend, also ohne Zeiten langer Unterbrechungen durch Eltern- oder Pflegezeiten, arbeiten sollen - und dadurch in die Rentenkassen einzahlen.

Fünf Jahre Landtag: 114 Mal hat Rauscher im Plenum gesprochen, 650 Anträge eingereicht

Aber wie kann man das erreichen? Rauscher nennt zwei Aspekte: Zum einen müssen Pflege- und Erziehungszeiten deutlicher bei der Berechnung der Rentenbeiträge berücksichtig werden. Zum anderen, und das ist für Rauscher ausschlaggebender, muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestärkt werden.

Die 51-Jährige ist der Meinung, dass die Politik hier viele Möglichkeiten hätte, um das zu erreichen: Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn es einen kostenfreien Zugang zu Bildungs- und Betreuungseinrichtungen gäbe. "Bei einer Familie mit drei kleinen Kindern sind Kosten für Kita- und Hortplätze aktuell sehr hoch", kritisiert Rauscher. "Da überlegt man sich als Mutter oder Vater schon einmal, ob man nicht lieber zu Hause bleibt und die Betreuung selbst übernimmt." Und schon fehlen Rentenbeiträge, die später einmal den Lebensunterhalt sichern sollen.

Außerdem, ergänzt die SPD-Politikerin, sei das auch ein Familienmodell, das von vielen nicht mehr als zeitgemäß empfunden werde. "Die Jungen möchten Familie und Beruf nicht mehr hintereinander machen, wie es in meiner Generation noch der Fall war." In Rauschers Tonfall liegt kein Vorwurf. Im Gegenteil: Beim Arbeiten gehe es schließlich nicht nur darum, dass man es muss. Einen Beruf auszuüben hat auch viel mit Teilhabe zu tun: Jemand, der arbeitet, nimmt automatisch am gesellschaftlichen Leben teil. Die Politik habe sich nach den Lebenswünschen und -bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger zu richten. Das ist Rauschers feste Überzeugung.

In der aktuellen Legislaturperiode ist Rauscher sozial- und familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Daneben ist sie Mitglied und stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie die stellvertretende Vorsitzende der Kinderkommission. Seit 2002 sitzt sie für die SPD im Ebersberger Stadtrat. Aktuell ist sie dort Mitglied im Umwelt- Kultur- und Sozialausschuss.

"Die möchten einfach wissen, wer ich bin und sich ein eigenes Bild von mir machen."

Wenn Doris Rauscher erzählt, wird klar, dass ihr soziale Gerechtigkeit wichtig ist: Es geht um Mindestlohn, Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor allem in Pflegeberufen, zu hohe Lebenshaltungskosten wie etwa Mietpreise, die vor allem im Ballungszentrum rund um die Landeshauptstadt und somit auch im Landkreis Ebersberg in die Höhe schnellen. Und das alles betrifft: Familien und Kinder.

Aber nicht nur in der politische Karriere der 51-Jährigen sind das zentrale Themen: Die gelernte Erzieherin und Sozial- und Gesundheitsfachwirtin war vor ihrem Einzug in den Landtag zehn Jahre pädagogische Leiterin von 28 Kindertageseinrichtungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, im VdK-Kreisverband ist sie die Vorsitzende - ehrenamtlich. "Ich weiß also sehr gut, wovon ich rede."

Dass sie für die bevorstehende Wahl mehr als zehn Plätze weiter vorne auf der SPD-Liste steht als noch vor fünf Jahren - auf Platz drei - wertet Rauscher als parteiinterne Anerkennung für das, was sie erreicht hat: 114 Mal hat sie im Plenum gesprochen und 650 Anträge eingereicht, etwa 60 davon wurden angenommen. Das sind knapp zehn Prozent. Rauscher ist niemand, dem das genügt - in der Politik mahlen die Mühlen oft langsam, wenn man etwas nachhaltig verändern möchte. "Ich bin ohnehin schon laut", bewertet sie ihre eigene Arbeit. "Aber ich möchte versuchen, noch lauter zu sein." Deshalb lautet ihr Wunsch: Weitere fünf Jahre Landtagsarbeit - mindestens.

In Poing regnet es immer noch. Obwohl Petrus an diesem Septembernachmittag seine Tore kaum weiter öffnen hätte können, ist der SPD-Stand vor der Eisdiele gut besucht. Etwa 20 Menschen wuseln umher, lesen in der Broschüre über Rauschers politische Agenda, unterhalten sich miteinander. Ein paar treten mit Fragen an Rauscher heran und suchen das Gespräch mit ihr. Wie ist das mit der Schaffung von Plätzen für Kurzzeitpflege? Was gibt es für Pläne, um zu verhindern, dass Senioren vereinsamen? Die meisten seien aber aus einem anderen Grund gekommen, sagt Rauscher. "Die möchten einfach wissen, wer ich bin und sich ein eigenes Bild von mir machen."

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Quelle:
SZ vom 21.09.2018
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