Süddeutsche Zeitung

Solidarität gefordert:Mehr Asyl und weniger Integration

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Beim Tag der Heimat fordert der bayerische Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Christian Knauer, Solidarität mit Flüchtlingen, aber auch deren Bereitschaft, wieder zurückzukehren

Von Johanna Feckl, Grafing

Der Tag der Heimat, den der bayerische Landesverband des Bundes der Vertriebenen am Sonntag in Grafing gefeiert hat, offenbarte die Schwierigkeiten um das Verständnis des Begriffs Heimat. Der Landesvorsitzende Christian Knauer sprach sich zwar deutlich dafür aus, Flüchtlingen, die heute nach Deutschland kommen, zu helfen. Genauso deutlich stellte er aber auch klar, dass die Heimat dieser Menschen seiner Ansicht nach trotz Integrationsversuchen immer woanders liege und sie folglich dorthin zurückkehren müssen.

Für Knauer ist der Tag der Heimat der Haupttermin im Veranstaltungskalender des Vereins. "Es ist ein würdiger Anlass, um 15 Millionen Heimatvertriebenen und rund zwei Millionen Menschen, die dabei verstorben sind, zu würdigen!" Er appellierte an seine Zuhörer in der Grafinger Stadthalle, dass der Tag der Heimat ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen sei. "Denken Sie etwa, dass es so einfach ist, die Wurzeln Ihrer Familie auszugraben und Hunderte von Kilometern weiter wieder einzugraben?" Die Alternative hierzu, nämlich die eigenen Wurzeln, die eigene Heimat abschneiden und hinter sich lassen zu müssen, das sei zu viel verlangt.

Stattdessen sollte das Augenmerk auf dem Schutz der vielen Identifikationsmerkmale liegen. "Feste und Bräuche bedeuten Heimat!" Knauer meinte damit den christlichen Glauben. "Das ist die Grundlage unserer europäischen Identität." Den Zusammenhang zwischen einer "großen" europäischen Identität und den "kleiner" zu denkenden Wurzeln der Heimat, von denen er zuvor sprach, klärte Knauer nicht.

Stattdessen widmete sich der 64-Jährige dem Leitspruch der diesjährigen Veranstaltung: "Identität schützen - Menschenrechte achten". Knauer wollte "keinen Zweifel aufkommen lassen, dass wir den heutigen Flüchtlingen nicht helfen". Wer verstünde es schließlich besser, was es heißt, seine Heimat zu verlieren? Ja, mehr noch: "Die Flüchtenden heute haben es schwerer. Sie kommen nicht als Deutsche zu Deutschen."Aller Solidarität zum Trotz: "Es kann nicht sein, dass wir nicht mehr von Asyl, sondern nur noch von Integration sprechen." Die Vertriebenen von damals, sie alle haben immer zurückkehren wollen, zurück in ihre Heimat. Das dürfe man auch von den Menschen erwarten, die heute zu uns kommen, "dass sie zurückkehren und ihr Land aufbauen". Knauer warnt, dass wir ansonsten "den Menschen, die wirklich in Not sind, nicht mehr helfen können".

Währenddessen zeigte sich Grafings Oberbürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) "erschüttert" darüber, dass viele der in den 1940er Jahren Vertriebene bis heute nicht fühlen, in der neuen Heimat jemals wirklich angekommen zu sein. "Ich frage mich, woran das liegt." Sie vermute den Grund dafür in der Angst, die neue Heimat irgendwann wieder verlassen zu müssen, die neue Heimat genauso wie die alte zu verlieren.

Der Schirmherr der Veranstaltung, Landrat Robert Niedergesäß (CSU), beendete seine Grußworte mit einem Zitat des Lyrikers Georg von Oertzen: "Wir sichern uns die Heimat nicht durch den Ort, wo, sondern durch die Art, wie wir leben."

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Quelle:
SZ vom 26.09.2016
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